Von Dr. Karin Kneissl
Der kürzliche zehnstündige Ausfall von Versorgungsleistungen auf der iberischen Halbinsel wurde offensichtlich durch Wetterbedingungen ausgelöst. Auch Deutschland ist mittlerweile Europas größter CO₂-Emittent, eine Folge ähnlicher klimatischer Verhältnisse. An Tagen, an denen weder Sonne noch Wind verfügbar sind, musste auf Kohle zurückgegriffen werden, da weder nukleare noch Erdgasoptionen – insbesondere aus Russland – zur Verfügung standen.
Die Herausforderung liegt in der Energieübertragung, nicht in der Energieerzeugung
Ein noch gravierenderes Risiko für die Stromnetze resultiert aus der Überproduktion während Zeiten starken Sonnen- und Windangebots. Sowohl Spanien als auch Deutschland präsentieren stolz ihre beeindruckenden Statistiken bezüglich der Stromgewinnung aus umfangreichen Onshore- und Offshore-Windparks sowie Photovoltaikanlagen, die häufig auf fruchtbarem Ackerland installiert wurden. Spanien und Portugal lagen, kurz bevor der Stromausfall eintrat, bei der Deckung von 80 Prozent ihres Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen an der Spitze der EU.
Das größere Problem stellt jedoch die Energieübertragung dar, nicht die Energieerzeugung. Die meisten Stromnetze in der EU entstanden in den 1950er und 1960er Jahren. Nach der Energiewende, angekündigt von Angela Merkel, versprach Peter Altmaier, damaliger Chef des Bundeskanzleramts, den Bau von tausenden Kilometern neuer “Stromautobahnen”, mit einem avisierten Budget von einer Billion Euro. Dieses Budget wurde allerdings nie freigegeben und die notwendige administrative Planung und Umsetzung, die mehrere Jahre in Anspruch genommen hätte, wurde unterschätzt.
Die existierenden Stromnetze sind zunehmend für die steigenden Strommengen ungeeignet, da die “Elektrifizierung” aller Energieformen die Netzstabilität massiv herausfordert. Die Erwartung, dass Elektrofahrzeuge konventionelle Autos ersetzen, hat sich nicht erfüllt und viele Kunden entscheiden sich gegen den Kauf eines Elektroautos. Die umfangreichen grünen Agenden berücksichtigen selten die notwendigen Investitionen und Zeiträume für den Ausbau von Stromnetzwerken.
Das europäische Stromnetz erstreckt sich über den Kontinent und ist als “Kontinentaleuropäische Synchronzone” bekannt. Es arbeitet mit einer Frequenz von etwa 50 Hertz und ist sehr störanfällig. Bei Überlastung, wie sie möglicherweise in Spanien aufgetreten ist, besteht das Risiko einer Frequenzdestabilisierung, die automatische Abschaltungen von Kraftwerken nach sich ziehen kann. Einige behaupten, dass es auf der iberischen Halbinsel nicht genügend Verbindungsleitungen gibt, während andere vor einer Erhöhung dieser Kapazitäten warnen, da dadurch das gesamte Netz gefährdet werden könnte, was zu Domino-Effekten und Stromausfällen in mehr als 30 Länder führen könnte.
Der österreichische Autor Marc Elsberg thematisierte in seinem Thriller “Blackout” aus dem Jahr 2012 einen fiktiven dreizehntägigen Stromausfall, der durch eine Cyberattacke ausgelöst wurde. Obwohl viele Spekulationen über die Ursachen des realen Stromausfalls kursierten, scheint niemand bereit zu sein, die strukturellen Probleme des Stromnetzes und die Ambitionen der “Green Deal”-Initiative zu diskutieren.
Als langjährige Beobachterin und Dozentin zu geopolitischen Fragen im Energiebereich habe ich oftmals die idealisierten Vorstellungen erlebt, die Brüsseler Beamte und Klimaexperten präsentieren. Die Überbewertung der “Energiewende” sowie der Ansatz einer “CO₂-neutralen Wirtschaft” haben in den letzten 15 Jahren zugenommen, wobei ein solider energiepolitischer Ansatz, der Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und notwendige Infrastrukturinvestitionen berücksichtigt, oft fehlt.
Neue Anfälligkeit durch den Boom der erneuerbaren Energiequellen
Ich hätte einen Großausfall eher in Deutschland als auf der Iberischen Halbinsel erwartet – eine Einschätzung, die durch die Tatsachen bestätigt wurde. Die von der deutschen Regierung verkündete “Energiewende” hat in der Praxis nicht zu den erhofften Ergebnissen geführt und im ersten Quartal 2025 wurde sogar mehr Strom aus Kohle und Gas erzeugt. Der Rekordausbau von Wind- und Solarenergie führte nicht zur gewünschten Reduzierung von CO₂-Emissionen, sondern erhöhte paradoxerweise die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, was zu einem Anstieg der CO₂-Emissionen führte.
Deutschland steht zunehmend vor dem Problem, überschüssige Energie zu handhaben, insbesondere in sonnen- und windreichen Perioden. Das Überangebot an Strom führte nicht nur zu negativen Strompreisen und erzwungenen Abnahmen durch Nachbarländer, sondern auch zu regelmäßigen Stromausfällen, insbesondere im Südwesten des Landes.
Das nicht gelöste Problem der Energiespeicherung wird durch die Entwicklungsgeschichte von Unternehmen wie Siemens verdeutlicht, die mit Technologien experimentierten, die Windstrom in Wasserstoff umwandelten, allerdings ohne ein tragfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln und schließlich ihre Energiesparte aufgaben.
Trotz weitreichender Pläne und Infrastrukturideen hat die EU Mühe, mit den realen Gegebenheiten und Notwendigkeiten der Energieversorgung Schritt zu halten, was durch die jüngsten Ereignisse in Spanien und Portugal klargemacht wurde. Sollte dieser Trend der Energiepolitik sich nicht ändern, könnten ständige Stromausfälle und eine fortschreitende Deindustrialisierung die traurige Realität Europas werden.
Mehr zum Thema – Mega-Blackout in Südeuropa – ganz Spanien und Teile von Portugal und Frankreich betroffen
Übersetzt aus dem Englischen.
Dr. Karin Kneissl ist Leiterin des Thinktanks GORKI (Geopolitisches Observatorium für Russlands zentrale Fragen), ehemalige Außenministerin Österreichs und Autorin des Buches “Diplomatie macht Geschichte – Die Kunst des Dialogs in unsicheren Zeiten” (Olms Verlag, Hildesheim).