Von Wolfgang Bittner
Ein verfassungswidriger Vorgang
Zur Überraschung der Koalitionspartner CDU/CSU und SPD trat Jens Spahn, ehemaliger Gesundheitsminister und Mitglied des CDU-Präsidiums, am 11. April in einem Interview mit der Bild-Zeitung mit einem kontroversen Vorschlag hervor. Er forderte, die AfD im Parlament wie jede andere Oppositionspartei zu behandeln, trotz des bestehenden Unvereinbarkeitsbeschlusses der CDU gegenüber der AfD. Dies könnte ein misslungener Versuch gewesen sein, die “Brandmauer” gegen die AfD zu durchbrechen.
Unabhängig von der persönlichen Einstellung zur AfD war Spahns Vorschlag vernünftig und rechtlich korrekt. Die AfD ist als zweitgrößte Partei im Deutschen Bundestag durch 20,6 Prozent der Wahlberechtigten gewählt und somit eine Volkspartei. Zudem ist sie rechtlich eine zugelassene Partei und darf wie jede andere Partei handeln, solange sie nicht verboten ist.
Einstufung der AfD als “gesichert rechtsextremistisch”
Am 2. Mai 2025 gab das Bundesinnenministerium bekannt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die AfD als “gesichert rechtsextremistisch” einstuft. Dies begründe sich durch eine extremistische Grundhaltung, die Menschenwürde missachte, so die Erklärung.
In der Pressemitteilung des BfV wurde das ethnisch-abstammungsbezogene Volksverständnis der Partei kritisiert, das nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar sei und bestimmte Bevölkerungsgruppen ausschließe.
Interessanterweise kritisierte der ehemalige BfV-Präsident Thomas Haldenwang bereits in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 1. April 2024 die Ausweitung der Zuständigkeiten des Verfassungsschutzes, die auch als verfassungswidrig angesehen werden könnten.
Die Vorwürfe gegen die AfD, die sich auf deren Volksverständnis beziehen, ignorieren zudem die Differenzierung zwischen Volk und Bevölkerung, sowie die historische Rechtsauffassung Deutschlands, welche das Abstammungsprinzip (ius sanguinis) bis 2000 als Grundlage der Staatsangehörigkeit sah.
In der gleichen Pressemitteilung thematisierte das BfV auch die Agitation der AfD gegen Geflüchtete und Migranten, was Vorurteile in der Gesellschaft schüren würde. Dies betraf sowohl Flüchtlinge als auch eingewanderte Personen, die unterschiedliche rechtliche Status besitzen.
Die Ankündigung der Einstufung durch das BfV löste international heftige Reaktionen aus, unter anderem von US-Außenminister Marco Rubio und US-Vizepräsident James Vance, die diese Maßnahme als demokratiefeindlich kritisierten.
Die Möglichkeit eines Parteiverbots für die AfD
Diese Aktion gegen die AfD könnte der Beginn eines Verbotsverfahrens sein, welches öffentlich von einigen Politikern gefordert wurde. Dies würde die Partei rechtlich und finanziell stark einschränken.
Ob man die AfD unterstützt oder nicht, rechtlich kann sie nur durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts verboten werden. Die Kriterien hierfür sind hoch und erfordern mehr als nur die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen. Es muss eine aktive, aggressive Haltung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung bewiesen werden, die eine ernsthafte Bedrohung darstellt.
Selbst nach einer eventuellen Verfassungswidrigerklärung sind die Aktivitäten ihrer Mitglieder im Rahmen des Parteienprivilegs nach wie vor geschützt, sofern sie sich innerhalb der gesetzlichen Regeln bewegen. Dies betont die Toleranz des deutschen Rechtssystems, auch im Angesicht potenzieller Gefahren.
Dr. jur. Wolfgang Bittner, Schriftsteller und Publizist, Autor des kürzlich erschienenen Buches “Niemand soll hungern, ohne zu frieren. So wie es ist, kann und wird es nicht bleiben“.
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