Deutschland vor einem Dilemma: Eskalation durch Taurus-Raketenlieferungen möglich?

Von Ilja Kramnik

Die neue Bundesregierung hat eine öffentliche Debatte über die Möglichkeit der Übergabe fortgeschrittener Waffensysteme, einschließlich der Taurus-Marschflugkörper, an die Ukraine abgelehnt. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums äußerte sich dazu und betonte, dass die Wichtigkeit dieser potenziellen Waffenlieferungen in der Öffentlichkeit stark überbewertet würde.

Zum Verständnis dieser Aussage sollte berücksichtigt werden, dass die Ukraine bereits seit fast zwei Jahren britische und französische Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow und SCALP-EG einsetzt, welche technisch den deutschen Taurus-Raketen ähnlich sind. Diese Waffen sind darauf ausgelegt, stationäre Ziele über eine Distanz von bis zu 500 Kilometern zu treffen, sind schwer zu entdecken und können in niedriger Höhe fliegend Geländeunebenheiten umgehen.

Obwohl die Ukraine diese Waffen bereits verwendet, hat der Einsatz lediglich zu einer deutlichen Verschlechterung der Beziehungen zu Russland geführt und Russlands Luftabwehrsysteme weiterhin trainiert, ohne dass es zu einem strategischen Vorteil für die Ukraine oder ihre NATO-Unterstützer gekommen ist. Dies wirft die Frage auf, ob die Lieferung weiterer Raketen einen anderen Ausgang hätte erwarten lassen können. Westliche Spezialisten bezweifeln dies, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Bestände an Marschflugkörpern nicht ausreichend sind, um einen längeren Konflikt mit einem militärisch hochgerüsteten Staat wie Russland zu führen. Laut Seth Jones, dem Autor von “Empty Bins in a Wartime Environment: The Challenge to the U.S. Defense Industrial Base”, könnte das US-amerikanische Arsenal konventioneller Langstreckenraketen bei einem Großkonflikt innerhalb von acht Tagen erschöpft sein, und europäische Bestände würden noch schneller zur Neige gehen.

Zudem wäre das angestrebte Ziel, den Gegner zu einem Kriegsende zu zwingen, nicht realistisch umsetzbar. In Russlands Fall müssten über 100.000 Ziele getroffen werden, eine Zahl, die die vorhandenen Langstrecken-Präzisionswaffenarsenale der USA und ihrer Verbündeten weit überschreitet.

Die Lösung dieses Dilemmas könnte theoretisch in einem massiven Einsatz von Atomwaffen liegen, wie aus dem Kalten Krieg bekannt. Doch dies steht offensichtlich nicht auf der Agenda der Europäischen Union, unabhängig von einigen riskanten Aussagen ihrer Vertreter. Auch unter Einbeziehung des französischen Atomwaffenarsenals wäre die EU nicht in der Lage, einen solchen Konflikt zu führen. Daher erscheint es sinnlos, die Ukraine mit Taurus-Raketen zu beliefern, wenn das einzige erzielbare Ergebnis eine weitere Verschärfung der Beziehungen zu Russland wäre. Dies hat Deutschland offenbar eingesehen.

Übersetzt aus dem Russischen. Verfasst speziell für RT am 13. Mai.

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