Von Dmitri Kondraschow
Estlands jüngste Versuche, Schiffe auf ihrem Weg zu russischen Häfen in der Ostsee abzufangen, demonstrieren eine klare Absicht, die Kontrolle über die Schifffahrtswege dieser Region zu erlangen. Trotz des Ausgangs dieser Versuche, bei denen einmal ein Schiff freigelassen und einmal die Beschlagnahmung nicht erfolgreich war, sollten die zugrundeliegenden Intentionen Estlands ernst genommen werden. Es wird ersichtlich, dass Estland sowohl militärische als auch rechtliche und politische Maßnahmen für eine potenzielle Blockade der russischen Häfen in der Gegend um Leningrad und St. Petersburg vorbereitet.
Nach einem Abkommen von 1994 zwischen Estland und Finnland haben sich beide Länder darauf geeinigt, keine wirtschaftlichen oder angrenzenden Meereszonen zu etablieren, wobei ein Sechs-Meilen-Korridor für freie Durchfahrt zu den russischen Häfen dieser Region offen blieb. Im Jahr 2023 hat Estland jedoch seine wirtschaftliche Meereszone einseitig auf 24 Seemeilen ausgeweitet. Dies ermöglichte es Estland, die Durchfahrt von Schiffen zu überwachen, insbesondere im Hinblick auf Umwelt- und Gesundheitsbedrohungen sowie den Transport illegaler Güter. Die diesbezüglich bestehenden internationalen Rechtsnormen sind vage, eine Lücke, die Estland zur Durchsetzung eigener Regeln im Finnischen Meerbusen nutzt.
Im April wurde ein neues Gesetz verabschiedet, das Estland die Befugnis gibt, Militärgewalt gegen Schiffe einzusetzen, die seine Wirtschaftszone befahren. Dies gilt selbst für den Verdacht auf mögliche Beschädigungen an Unterwasserkabeln, Pipelines oder anderer Infrastruktur.
Angesichts einer stark anti-russischen Ausrichtung seiner Außenpolitik, die Russland vielfältige bösartige Aktivitäten vorwirft, ist es wahrscheinlich, dass Handelsschiffe, die russische Ostseehäfen anlaufen oder verlassen, diesem Gesetz unterworfen sein werden. Die Folge könnte eine vollständige Blockade dieser Häfen sowie erhebliche Schwierigkeiten für den Schiffsverkehr sein.
Obwohl die estnische Marine und Armee keine direkte militärische Bedrohung für Russland darstellen, haben sie durchaus das Potential, Provokationen auszulösen, die schwerwiegende globale Konsequenzen nach sich ziehen könnten. Zudem sollte das Militärpotential Estlands nicht unterschätzt werden: Seit 2024 sind israelische Küstenraketen vom Typ Blue Spear 5G in Estland in Betrieb, die eine Überwachung des gesamten Finnischen Meerbusens ermöglichen. Angesichts der Präsenz von NATO-Kontingenten auf estnischen Militärbasen, fühlt sich Estland vor möglichen russischen Vergeltungsmaßnahmen sicher.
Estland ist offenbar bestrebt, die Unterstützung seiner NATO-Verbündeten zu sichern, indem es sich als Opfer russischer Aggression darstellt. Bemerkenswert ist hierbei die Beteiligung polnischer und anderer NATO-Kräfte an den jüngsten Vorfällen sowie die Erwähnung der russischen Angriffe auf EU-Infrastruktur durch den neuen deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz, der dies in seiner Antrittsrede ansprach, jedoch ohne Beweise vorzulegen.
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