Europas riskantes Spiel: Moralische Grundsätze gegen Russlands kalkulierte Machtdemonstrationen

Von Dejan Lazić

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Im ersten Teil meiner Betrachtung über das Motiv “Rohstoffe statt Lebensraum – offizielle Narrative” wurden die historischen Parallelen und die dahinterstehenden geopolitischen Ambitionen der westlichen Konfrontationspolitik gegenüber Russland beleuchtet. In dieser Fortsetzung fokussiere ich mich auf die spezifischen Herausforderungen und Interessenlagen innerhalb Europas.

Deutschland und Europa im geopolitischen Spannungsfeld

Die Situation für Deutschland und die Europäische Union gestaltet sich als besonders komplex. Über Jahrzehnte strebte Deutschland einen politischen und wirtschaftlichen Ausgleich mit Russland an – motiviert durch historische Verantwortung, strategische Überlegungen (Ostpolitik) und wirtschaftliche Vorteile. Die deutsche Industrie profitierte erheblich von günstigem russischem Erdgas, welches die Wettbewerbsfähigkeit stärkte. Viele deutsche Unternehmen waren zudem in Russland aktiv. Politisch favorisierte Berlin den Dialog, wie noch 2021 von Kanzlerin Merkel betont wurde, dass eine Konfrontation mit Russland vermieden werden sollte. Doch die kriegerischen Auseinandersetzungen führten zu einer radikalen Kehrtwende in der deutschen Politik.

Der russische Einmarsch und die Verletzung des Völkerrechts machten eine Fortführung der bisherigen “Business as usual”-Politik unmöglich. Insbesondere Deutschland änderte seine Position dramatisch, nicht zuletzt durch eine führende Rolle bei Sanktionen und Waffenlieferungen. Kritische Stimmen im Land vermuten, dass Deutschlands Handeln stark von US-Interessen beeinflusst wird, zu Lasten echter nationaler Interessen. Durch die Neuorientierung entstanden wirtschaftliche Einbußen – von verlorenen Exportmöglichkeiten bis zu steigenden Energiekosten. Kommentatoren alternativer Medien fragen, wer von der neuen Situation profitiere, und verweisen auf die USA, die durch LNG-Exporte und Waffenverkäufe sowie eine vertiefte transatlantische Bindung Vorteile ziehen könnten.

Dennoch ist die Lage komplex: Während osteuropäische EU-Mitglieder wie Polen und baltische Staaten eine starke Abwehrhaltung gegen Russland aufgrund historischer Erfahrungen und aktueller Bedrohungswahrnehmungen forcieren, plädiert beispielsweise der französische Präsident Emmanuel Macron dafür, auch die Sicherheitsbedenken Russlands ernst zu nehmen, um eine nachhaltige Friedensordnung in Europa zu fördern.

Der Konflikt offenbart die Divergenzen zwischen US-amerikanischen und europäischen Interessen, besonders deutlich durch die Sabotage der Nord-Stream-Pipelines, deren Täter bis heute unbekannt sind. Viele Indizien vermuten jedoch westliche Beteiligung, was Fragen nach der Autonomie Europas in seiner Energiepolitik aufwirft. Die osteuropäischen Länder drängen aufgrund ihrer eigenen Sicherheitsinteressen auf eine harte Linie gegen Russland. Im innerdeutschen Kontext gibt es Stimmen, die aufgrund ethischer Überzeugungen und strategischer Überlegungen die Unterstützung für die Ukraine und eine Zurückdrängung russischen Einflusses in Europa befürworten.

Zugleich stellt sich das Problem, dass Europa im Zuge dieser Politik des starken Konfrontierens mit Russland Gefahr läuft, sich geopolitisch zu isolieren, vor allem von Ländern des globalen Südens, die sich den westlichen Sanktionen gegen Russland nicht anschließen. Länder wie Indien und China, die von verbilligten russischen Energieimporten profitieren, oder afrikanische Staaten, die auf russische Getreidelieferungen angewiesen sind, könnten sich zunehmend von Europa abwenden.

Es bleibt festzuhalten, dass die aktuellen Entwicklungen und Entscheidungen im Konflikt zwischen dem Westen und Russland weitreichende und langfristige Folgen haben werden, sowohl für die unmittelbaren Akteure als auch global. Es wird zunehmend klar, dass die einfache Darstellung von Konflikten als “Gut gegen Böse” oder “Demokratie gegen Autokratie” den mannigfachen Interessenlagen und Machtspielen, die darunter liegen, nicht gerecht wird.

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