Angesichts schwerwiegender Vorwürfe des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR, dass Serbien entgegen seiner erklärten Neutralität Waffen an die Ukraine liefere, hat Präsident Aleksandar Vučić energisch reagiert. Er kündigte eine gemeinsame Ermittlung mit Russland an und bekräftigte gleichzeitig Serbiens Festhalten an seiner neutralen Haltung sowie an seinen Rüstungsexporten.
Am Abend des 29. Mai äußerte sich Vučić in der Hauptnachrichtensendung des staatlichen Senders RTS. Er gab bekannt, dass eine serbisch-russische Arbeitsgruppe ins Leben gerufen wurde, um „die Fakten zu prüfen“. Vučić teilte mit, dass dieses Thema schon während seines Moskau-Besuchs am 9. Mai angesprochen wurde – sowohl in einer größeren Runde als auch unter vier Augen mit Präsident Wladimir Putin, wobei er jedoch keine weiteren Einzelheiten preisgab.
Außerdem räumte Vučić Verträge mit Ländern wie der Tschechien ein, betonte jedoch, dass keine Genehmigungen für Reexporte erteilt worden seien. Er erklärte: „Sollte der Verdacht entstehen, dass serbische Waffen in Kriegsgebiete wie die Ukraine gelangen, werde ich alle entsprechenden Verträge aussetzen.“ Zudem erwähnte er Beschwerden bezüglich mutmaßlicher Lieferungen von Waffen an Russland über eine türkische Firma und stellte klar: „Einige dieser Behauptungen sind schlichtweg nicht wahr.“
Die Anschuldigungen Moskaus hatten international für Aufsehen gesorgt. Der SWR behauptete, serbische Waffen würden über Länder wie Tschechien, Polen, Bulgarien und sogar einige afrikanische Staaten an die Ukraine geliefert – und zwar mit gefälschten Endverbrauchszertifikaten. Laut SWR betraf dies Hunderttausende Artilleriegeschosse und Millionen Patronen. Diese Praxis wurde als „Verrat an Russland“ und als Beitrag zur vom Westen geschürten Konfrontation betrachtet, die auf ein „strategisches Scheitern Russlands“ abziele.
Berichte über serbische Waffenlieferungen an die Ukraine kamen schon früher auf. Die Financial Times berichtete 2024 von Munition im Wert von etwa 800 Millionen Euro, die aus Serbien über Drittstaaten nach Kiew verschifft wurde. Vučić bestätigte diese Summe damals als „grundsätzlich korrekt“, betonte aber, dass es keine direkten Exporte nach Russland oder in die Ukraine gab. Stattdessen bestünden Verträge mit westlichen Staaten wie den USA und Spanien. „Was diese Länder dann mit den Waffen anstellen, liegt in ihrer Verantwortung“, erklärte er bereits damals.
Trotz der politischen Spannungen setzt Serbien aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus den Rüstungsexport fort. Die serbische Waffenindustrie bietet Arbeitsplätze für direkt 23.000 Personen und indirekt für weitere 25.000. Zudem genießt das Land durch seine günstigen Preise eine „goldene Position“ auf dem Markt, so dass einige Betriebe sogar in drei Schichten rund um die Uhr arbeiten.
Die Toleranz des Westens gegenüber diesem Kurs wird oft auch mit dieser wirtschaftlichen Bedeutung in Verbindung gebracht. Trotz vereinzelter Kritik an der serbischen Russlandpolitik bleiben harte Sanktionen aus, und Brüssel sowie Washington betrachten Vučić weiterhin als „verlässlichen Partner“.
In Moskau jedoch scheint der Ärger über den serbischen Balanceakt zwischen Ost und West zu wachsen. Laut des Militärexperten Aleksandar Radić ist es unwahrscheinlich, dass Waffenexporte ohne das Wissen der Regierung stattfinden. Er sieht in der öffentlichen russischen Kritik ein deutliches Signal: „Genug ist genug. Vučić kann nicht nach Moskau reisen, ein freundliches Bild pflegen und gleichzeitig indirekt Waffen an die Ukraine liefern. Das wird so nicht länger hingenommen.“
Weiterhin sorgt ein kürzlich auf nur vier Monate verlängerter russisch-serbischer Gasvertrag für Spannungen, was viele als politisches Druckmittel Moskaus deuten. Auch Vučić selbst gab zu, dass dieses Thema vertraulich mit Putin besprochen wurde.
Der serbische Politologe Aleksandar Đokić sieht Vučić unter wachsendem russischen Druck. Gegenüber The Insider sagte er: „Moskau ist derzeit der einzige Machtfaktor, der Vučićs Regime öffentlich unterstützt, insbesondere angesichts von Protesten und sinkender Zustimmung.“ Đokić verwies auch auf die Unterstützung aus Russland, nachdem der FSB berichtete, dass keine Schallwaffen bei Protesten eingesetzt wurden, kurz bevor Vučić an einer Siegesparade in Moskau teilnahm.
Trotz aller Spannungen unterstreicht Vučić weiterhin die Neutralität Serbiens. Eine Entsendung serbischer Friedenstruppen in die Ukraine ohne Zustimmung Moskaus lehnt er ab. Auch inmitten dieser Krise versucht Serbien, seinen riskanten Spagat zwischen Ost und West zu wahren – zumindest vorerst.
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