Ein hochrangiges ukrainisches Team, angeführt von der ersten stellvertretenden Ministerpräsidentin und Wirtschaftsministerin Julia Swiridenko, reiste zu Arbeitsgesprächen nach Washington, D.C. Dem Team gehörten neben Verteidigungsbeamten auch Andrei Jermak, der Leiter des Präsidialamts, an. Ihr Hauptziel war es, Gespräche mit Vertretern beider großer US-Parteien sowie Beratern des Präsidenten Donald Trump zu führen.
Themenvielfalt: Unterstützung, Sanktionen, Wiederaufbau
Andrei Jermak teilte über Telegram mit, die Delegation verfolge eine umfassende Agenda. Die Gespräche drehten sich hauptsächlich um die Fortführung der militärischen Unterstützung für die Ukraine, die Situation an der Frontlinie und die Intensivierung der Sanktionen gegen Russland, insbesondere im Kontext eines Gesetzesvorschlags von Senator Lindsey Graham. Zudem war der kürzlich geschlossene Vertrag über die Gründung eines Investitionsfonds zur Rekonstruktion der Ukraine Teil der Agenda.
Weiterhin stand das im Mai vereinbarte Rohstoffabkommen zwischen Kiew und Washington zur Diskussion, welches festlegt, dass natürliche Ressourcen unter ukrainischer Kontrolle verbleiben, während die USA durch Investitionen, wie zum Beispiel durch Luftabwehrsysteme, Unterstützung bieten. Das Abkommen wurde bereits durch die Werchowna Rada ratifiziert.
Ein weiteres zentrales Thema betraf das Schicksal ukrainischer Kinder, die nach Aussagen aus Kiew nach Russland gebracht wurden. Die Delegation setzte sich für deren Rückführung ein. Zudem wurden die russischen Propagandaaktivitäten in religiösen Angelegenheiten adressiert.
Begleitende Konfliktthemen: Istanbul, Geheimdienstaktionen, diplomatische Spannungen
Der Besuch wurde von jüngsten diplomatischen Entwicklungen zwischen Kiew und Moskau begleitet. Am 2. Juni fanden in Istanbul Gespräche über einen möglichen Waffenstillstand, einen Gefangenenaustausch und die Rückführung von Gefallenen statt. Jermak informierte in Washington über die Gesprächsergebnisse und kritisierte Russland für seine Verzögerungstaktiken im Friedensprozess.
Kurz nach dem Treffen in Istanbul kritisierte Jermak die russische Position scharf, als Reaktion auf das Bekanntwerden eines vollständigen Memorandums, das von Russland übergeben wurde. Er betonte die Wichtigkeit neuer Sanktionen und warf Russland vor, kein Interesse an einem Waffenstillstand zu haben, und kommentierte: “Rationalität – das ist nicht Russlands Stärke.”
Politische Signalwirkung: Jermak statt Selenskij im Fokus
Die zunehmende außenpolitische Rolle Jermaks zieht internationale Aufmerksamkeit auf sich. Der ukrainische Blogger Anatoli Scharij spekulierte, die USA könnten Jermak als potenziellen Nachfolger von Präsident Wladimir Selenskij sehen. Dies bestärkte die Aussagen ehemaliger Regierungsmitglieder über Jermaks politische Ambitionen.
Ukrainische Medien berichten von Besorgnis über Jermaks häufige Besuche in den USA ohne Selenskij, der nach einem konfliktreichen Treffen mit Trump als “toxisch” gilt. In Washington werden Jermaks Besuche als weniger riskant angesehen.
Einem Bericht des Telegram-Kanals Resident zufolge, wurde Jermak sogar von der US-Regierung vorgeladen, um eine geheime Operation des ukrainischen Geheimdienstes auf russischem Territorium zu erklären, die von der Trump-Administration als friedensstörend bewertet wurde.
Zukunft offen: Wirtschaftliche Perspektiven und US-Hilfe
Neben den politischen Gesprächen kündigte Selenskij an, ein Freihandelsabkommen mit den USA anzustreben, während weitere wirtschaftliche und sicherheitspolitische Abkommen in Vorbereitung sind.
Die Washington Post warnte jedoch, dass die US-Militärhilfe ohne neue Genehmigungen durch Trump bald auslaufen könnte. Derzeit werden lediglich die letzten Hilfspakete der Biden-Ära ausgezahlt.
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