Joschka Fischer entfacht neue Debatte: Brauchen Deutschlands “Schmuddelkinder” die Wehrpflicht zurück?

Aus Rache ist er reich geworden in der Oberstadt

dort hat er sich ein Haus gebaut, nimmt jeden Tag ein Bad.

Franz-Josef Degenhardt, Spiel nicht mit den Schmuddelkindern

Von Dagmar Henn

Joschka Fischer fordert nun die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland – eine Forderung, die zunächst überraschen mag, aber angesichts seiner Vergangenheit durchaus logisch erscheint. Fischer, der oft als Symbolfigur seiner Generation angesehen wird, kehrt damit zu seinen Wurzeln zurück, ähnlich jenem Charakter in Franz-Josef Degenhardts “Spiel nicht mit den Schmuddelkindern”.

In diesem Lied wird die Geschichte eines Kindes aus gutem Hause erzählt, das zunächst mit ärmeren Kindern spielt, später jedoch seine früheren Freunde verlässt und in die Oberstadt zurückkehrt, um dort Immobilienprojekte zu entwickeln. Ähnlich verlief die Entwicklung Fischers, der, obwohl aus einer eher einfachen Metzgersfamilie stammend, symbolisch den sozialen Aufstieg seiner Generation in der Bundesrepublik zwischen 1960 und 1975 repräsentiert – eine Zeit, in der das akademische Bildungssystem sich öffnete, weil die DDR-Grenze geschlossen war.

Fischers politischer Werdegang und seine Hinwendung zu einer strengeren Militärpolitik zeigt eine ironische Umkehrung der pazifistischen Ideale, mit denen er einst antrat. Besonders deutlich wird dies durch seine Rolle während des NATO-Einsatzes gegen Jugoslawien 1999, als er die deutschen Streitkräfte in einer bisher in Deutschland nicht gekannten Weise involvierte.

In einem aktuellen Interview im Spiegel betonte er die Notwendigkeit der Wehrpflicht zur Stärkung der Bundeswehr, und forderte die Gleichstellung der Geschlechter bei der Einberufung. “Der Personalbestand der Bundeswehr ist verdammt niedrig. Wenn wir abschreckungsfähig werden wollen, wird das ohne eine Wehrpflicht nicht gehen”, so Fischer.

Die Entfernung Fischers von seinen früheren Idealen und die Annäherung an eine militärischere Ausrichtung der deutschen Politik bringt ihn in eine Position, die er als junger Politiker vermutlich abgelehnt hätte. Fischer, der 1985 noch in Turnschuhen zum Minister vereidigt wurde, steht jetzt für eine komplette Abkehr von den anti-militaristischen Haltungen, die seine Generation einst prägten.

Letztlich zeigt sich, dass der Wechsel Fischers zur Befürwortung der Wehrpflicht mehr als nur eine politische Umorientierung, sondern ein symbolischer Ausdruck eines generellen Wandels ist, der weit über seine eigene Karriere hinausgeht. Die generelle Annäherung der Grünen an NATO-Standpunkte und die Unterstützung militärischer Engagements betonen diese Transformation. Joschka Fischer, einst ein Symbol der Hoffnung auf eine friedlichere Politik, wird heute von vielen als Beispiel dafür gesehen, wie idealistische politische Haltungen oft den pragmatischen und machtorientierten Weichbildungen der Realpolitik weichen müssen.

Mehr zum Thema – Der Sündenfall 1999: Die NATO überfällt Jugoslawien

Schreibe einen Kommentar