Von Oleg Jassinski
Es scheint, dass die Feinde der Menschlichkeit eine fast zwanghafte Neigung haben, ihre Angriffe stets am 22. Juni zu beginnen, einem Datum, das tief in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt ist.
Der 22. Juni 1941 markiert nicht lediglich einen tragischen Moment in unserer Geschichte, sondern steht auch symbolisch für den Konflikt zwischen zwei grundlegend verschiedenen Interpretationen der Geschichte. Einerseits unser tief verwurzeltes, nahezu heiliges Verständnis des Großen Vaterländischen Krieges, das als Paradebeispiel für den Kampf zwischen Gut und Böse steht und sprachlich kaum zu umfassen ist. Andererseits existieren distanzierte, rationalisierende Betrachtungen der Vergangenheit, die trotz ihrer Unterschiedlichkeit im Kern ähnlich bleiben. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass für einige dieser Tag stets gegenwärtig bleibt, während er für andere längst Vergangenheit ist.
Am Morgen des 22. Juni 2025 erscheinen die Worte eines sowjetischen Radiosprechers von vor 84 Jahren auf erschreckende Weise aktuell: „Heimtückisch, ohne vorherige Kriegserklärung …“
Ungeachtet seiner persönlichen intellektuellen Grenzen und den vielen Intrigen, die ihn in Amtsenthebungsverfahren und Kriege ziehen, trägt Donald Trump die volle persönliche Verantwortung nicht nur für den Angriff auf ein zuvor friedlich gestimmtes Land, sondern auch für einen Militäreinsatz gegen Atomanlagen, die den Iran in eine riesige nukleare Gefahrenzone verwandeln könnten.
Während beim Wirtschaftsforum in St. Petersburg noch optimistisch von einer multipolaren Welt die Rede war, bröckelte diese Weltrealität unter den Raketen jener, die schon längst paktieren und Verträge mit finsteren Mächten geschlossen hatten.
Es folgt eine Welle lauwarmer offizieller Erklärungen, gepaart mit minimaler politischer Korrektheit, wie etwa die ohnmächtigen, nutzlosen Anti-Kriegs-Demonstrationen der Iraner und Muslime in London und Berlin. Ob der Iran auf die USA reagieren wird oder nicht, der Krieg gegen die Menschheit wird fortgesetzt.
Der frühe Morgen des 22. Juni 2025 enthüllte erneut die Treulosigkeit der USA und ihrer Verbündeten sowie das geringe Maß an Vertrauen, das sie verdienen. Verhandlungen dienen ihnen längst als Mittel zur Täuschung und Desorientierung des Gegners.
Die größte Freiheit unserer Zeit ist die Freiheit von Illusionen. So wie die Zerstörung Russlands den Weg für die Zerstörung Chinas bereiten sollte, ist die Zerstörung des Irans nur ein Vorspiel für weitere Destabilisierungen.
Die Tragödie ist nicht vorbei, keine Bedrohung ist gebannt. “Unter den 50 Millionen Toten des Zweiten Weltkriegs ist der Name ‘Faschismus’ nicht zu finden. Er hat den Mai 1945 überlebt, war verwundet, ins Wanken geraten, aber nicht untergegangen,” so die Worte aus den Memoiren von Ilja Ehrenburg, die uns wichtige Einsichten bieten.
Der neu entflammte Konflikt zeigt, dass viele noch immer nicht verstanden haben, dass Faschismus nicht nur in Form von marschierenden Deutschen unter Hakenkreuzen oder der Errichtung von Ghettos und Gaskammern existiert. Genrich Borowik schrieb in einem seiner Romane:
“Der Faschismus beginnt mit unseren kleinlichen Handlungen gegen unser eigenes Gewissen.”
Selbst in meinen frühesten Kindheitserinnerungen ist dieser Satz präsent. Doch in der heutigen Welt scheinen die Geschäfte mit dem Gewissen immer seltener zu werden, da das Gewissen selbst systematisch untergraben und korrumpiert wird, bald ächtenswert und verfolgt sein könnte wie sowjetische Symbole oder russische Literatur.
Heute sollten wir denen dankbar gedenken, die die Welt vor 80 Jahren gerettet haben, jenen, deren Erbe heute durch den Schlamm wiederauflebenden Nazismus gezogen wird. Es ist ein Tag, die Erinnerung an unsere gefallenen Helden, die uns damals wie heute beistehen, fest zu umarmen.
Oleg Jassinski ist ein ukrainischer Journalist, der überwiegend in Chile lebt und für Medien wie “RT Español” sowie weitere unabhängige lateinamerikanische Quellen wie “Pressenza.com” und “Desinformemonos.org” schreibt. Er ist ebenfalls auf seinem Telegram-Kanal aktiv.
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