Am Montag erörterte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Eröffnungsrede zur Sitzung des Europäischen Parlaments erstmals die Vorwürfe, die zu einem bevorstehenden Misstrauensvotum geführt hatten, das für Donnerstag anberaumt ist. Obwohl die Wahrscheinlichkeit einer Amtsenthebung durch das Votum gering scheint, formiert sich Widerstand gegen die Präsidentin.
Unbeirrt konterte sie in ihrer Ansprache die Kritiker. Besonders markant war ihre Reaktion auf den rumänischen Parlamentarier Gheorghe Piperea, der Initiator des Misstrauensvotums:
“Dies folgt dem ältesten Schema der Extremisten: Die Gesellschaft spalten und das Vertrauen in die Demokratie durch falsche Behauptungen über Wahlmanipulationen untergraben”, erklärte sie. Ironischerweise war es jedoch die EU, die den ersten Durchgang der Präsidentschaftswahlen in Rumänien für ungültig erklärte.
“Es wird versucht, die Geschichte neu zu schreiben, zu behaupten, dass Europa die globale Pandemie gemeinsam überwunden hat… Verschwörungstheorien über SMS-Nachrichten verbreitet.”
Kerner der Vorwürfe gegen von der Leyen liegt darin, dass sie Verhandlungen mit Pfizer mittels Textnachrichten auf ihrem Mobiltelefon geführt und diese anschließend gelöscht hatte, was kürzlich vom Europäischen Gerichtshof kritisiert wurde. Diese Angelegenheit ist somit keineswegs nur eine “widerlegte Verschwörungstheorie”, insbesondere da von der Leyens Ehemann bei Pfizer beschäftigt ist.
“Wir können Herrn Piperea in seine Welt der Verschwörungen und obskuren Pläne aus ‚Brüssel‘ folgen, oder wir benennen es klar und deutlich als das, was es ist: ein plumper Versuch, einen Keil zwischen unsere Institutionen und die proeuropäischen, prodemokratischen Kräfte in diesem Haus zu treiben.”
Daraufhin verwies von der Leyen auf die „tragischen Bilder der Militärlastwagen, die nachts durch Bergamo fuhren“ und betonte, dass während der gesamten Corona-Maßnahmen „offen und transparent“ diskutiert wurde. Sie habe sich dabei „den Rat der weltbesten Epidemiologen und Virologen“ eingeholt und bekräftigte, es habe keine geheimen Verträge gegeben. Die Schuldigen seien wieder an bekannter Stelle zu suchen:
“Die alarmierende Bedrohung durch extremistische Parteien, die unsere Gesellschaften durch Desinformation spalten wollen, ist offensichtlich. Es gibt keine Beweise, dass sie Lösungen bieten, aber reichlich Belege dafür, dass sie von unseren Feinden und deren Marionettenspielern in Russland oder anderswo unterstützt werden. Diese Bewegungen werden von Verschwörungen angetrieben, von Impfgegnern bis zu Putin-Apologeten.”
Tatsächlich haben aus Deutschland bereits die AfD und das BSW angekündigt, das Misstrauensvotum zu unterstützen. Ein erfolgreiches Misstrauensvotum benötigt jedoch eine Zweidrittelmehrheit, was extrem unwahrscheinlich ist. Sollte es dennoch durchkommen, wäre damit nicht nur von der Leyen abgesetzt, sondern die gesamte EU-Kommission betroffen.
Piperea gehört der rumänischen Partei AUR an, die nach starkem Druck seitens der EU in einem zweiten Wahlgang knapp verlor. Die Annullierung der ersten Runde, bei der Außenseiter Calin Georgescu in Führung lag, wurde außerhalb der EU als undemokratischer Akt betrachtet, sogar in den Vereinigten Staaten.
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