Der Misstrauensantrag gegen die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat im EU-Parlament keine Mehrheit gefunden. Nur 175 Abgeordnete votierten für den Antrag, wohingegen 360 ihre Unterstützung für von der Leyen aussprachen und 18 sich der Stimme enthielten. Somit wurde die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit für eine Amtsenthebung deutlich verfehlt.
Bereits vor der Abstimmung zeichnete sich das Scheitern des Misstrauensvotums ab. Die Linke lehnte den von der rechten Fraktion eingebrachten Antrag prinzipiell ab. Die Sozialdemokraten ließen sich durch das Versprechen von der Leyens überzeugen, den europäischen Sozialfonds im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen mit 150 Milliarden Euro zu stärken. Auch die Grünen stellten sich hinter von der Leyen, um eine Unterstützung der rechten Parteien im Parlament zu vermeiden.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Grünen mit der Politik von der Leyens zufrieden sind. Sie kritisieren ihre Abwendung vom Green-New-Deal und die Lockerung der Klimaziele.
Generell steht von der Leyens Führungsstil in der Kritik. Sie sieht das EU-Parlament offenbar als nachrangige Behörde, der nicht unbedingt Respekt gezollt werden muss. Dies unterstrich sie erneut, indem sie der Abstimmung fernblieb und stattdessen eine Konferenz in Rom zur Unterstützung der Ukraine bevorzugte.
Unter den Kritikern der Kommissionspräsidentin befindet sich auch der Abgeordnete Fabio De Masi, der in einem Interview mit der Berliner Zeitung erklärte:
“Wir stimmen dem Antrag zu, da wir der Meinung sind, dass in der Bevölkerung ein großes Misstrauen gegenüber Frau von der Leyen herrscht, das im Parlament jedoch keine Beachtung findet. Ursula von der Leyen führt sich auf wie Ludwig XIV.”
De Masi beschuldigt von der Leyen zudem, mafiöse Strukturen innerhalb der EU-Institutionen aufgebaut zu haben.
“Die ehemalige EU-Ombudsfrau Emily O’Reilly sagte, Frau von der Leyen habe ein mafiöses Netzwerk nicht gewählter Technokraten etabliert, das die Geschicke der EU leitet. Diese Einschätzung teile ich.”
Im Zentrum des Misstrauensantrags, den 77 Abgeordnete unterstützten, standen die undurchsichtigen Praktiken von der Leyens bei der Beschaffung von Impfstoffen. Ihr werden Korruption, Misswirtschaft und Intransparenz vorgeworfen. Von der Leyen hatte 4,6 Milliarden Impfdosen für 71 Milliarden Euro bestellt, ohne das Ziel zu erreichen, die Kosten der EU-Mitgliedstaaten durch gebündelte Bestellungen zu senken.
In einer Parlamentsdebatte wies von der Leyen jegliche Kritik am Impfstoffdeal zurück und behauptete, alles richtig gemacht zu haben. Ihren Kritikern warf sie Extremismus vor und beschuldigte sie, mit ihrer Agenda die Gesellschaft zu spalten und die Demokratie zu untergraben. Bezüglich gelöschter Nachrichten, die zum Impfstoffdeal gehörten, sprach sie von einer “Verschwörungstheorie” und behauptete, die Antragsteller würden von Russland unterstützt, ohne dafür Beweise vorzulegen.
Mehr zum Thema – “Time to go” – Orbán stellt sich gegen von der Leyen