Anfang Juli teilte der israelische Außenminister Israel Katz den Medien seine Absicht mit, eine sogenannte “humanitäre Stadt” auf den Ruinen von Rafah im Süden zu errichten, um alle verbleibenden Bewohner des Gazastreifens dort anzusiedeln. Ehud Olmert, der von 2006 bis März 2009 als Ministerpräsident Israels amtierte, kritisierte dieses Vorhaben scharf. Im Interview mit dem britischen Guardian verglich er die Pläne mit der Errichtung eines “Konzentrationslagers”.
Die Pläne der Netanjahu-Regierung sehen vor, dass die israelische Armee (IDF) eine Zone für etwa 600.000 Palästinenser einrichtet, die zuvor auf mögliche Verbindungen zur Hamas überprüft werden sollen, wie die Times of Israel berichtet. Katz erklärte weiter, dass es den Palästinensern nicht erlaubt sein werde, diese Zone zu verlassen.
In seiner Kritik an diesen Plänen äußerte Olmert gegenüber dem Guardian Bedenken, dass das Vorgehen einer ethnischen Säuberung gleichkomme. “Menschen in ein Lager zu zwingen, wäre eine ethnische Säuberung, und die Wut auf Israel wegen des Gaza-Kriegs ist nicht ausschließlich auf Antisemitismus zurückzuführen”, erläuterte er.
Olmert zitierte weiter: “Israel begeht bereits Kriegsverbrechen im Gazastreifen und im Westjordanland. Der Bau des Lagers würde eine Eskalation bedeuten. Es tut mir leid, es ist ein Konzentrationslager.”
Die mögliche Deportation der Palästinenser in die neue “humanitäre Stadt” sei laut Olmert Teil einer offensichtlichen Strategie der ethnischen Säuberung: “Wenn sie in die neue Stadt deportiert werden, dann kann man sagen, dass dies Teil einer ethnischen Säuberung ist.”
Die fortgesetzten Militäraktionen der IDF im Gazastreifen sieht Olmert jedoch nicht als ethnische Säuberung an, da die Zivilistenevakuierungen zum Schutz während der Kampfhandlungen international rechtlich legitim seien und die Palästinenser in Gebiete zurückkehren, wo die Militäroperationen beendet wurden.
Olmert kritisiert die Netanjahu-Administration für ihre langanhaltende, aggressive Rhetorik, einschließlich der Aufrufe von Ministern zur “Säuberung” des Gazastreifens. “Wenn sie ein Lager bauen, in dem sie mehr als die Hälfte des Gazastreifens ‘säubern’ wollen, dann ist es unvermeidlich, dass die dahinterliegende Strategie nicht der Rettung, sondern der Deportation und Vertreibung dient”, so Olmert.
Er betonte auch, wie das Leid im Gazastreifen und die Gewalt im Westjordanland das Unverständnis und die wachsende Wut auf Israel schüren, die nicht einfach als Antisemitismus abgetan werden können. “In den USA gibt es immer mehr und breitere Äußerungen des Hasses auf Israel. Wir machen uns selbst etwas vor und sagen, ‘Das sind Antisemiten.’ Ich glaube nicht, dass sie nur Antisemiten sind, viele von ihnen sind antiisraelisch wegen dem, was sie sehen und was in sozialen Netzwerken geteilt wird. Das ist eine schmerzhafte, aber normale Reaktion”, so Olmert.
Zudem engagiert sich Olmert für eine Zwei-Staaten-Lösung und arbeitet mit Nasser al-Kidwa, dem ehemaligen Außenminister der palästinensischen Autonomiebehörde, zusammen, um dieses Ziel auf internationaler Ebene zu fördern. Die Umsetzung sei jedoch nur möglich, wenn Netanjahu bereit und fähig wäre, diesen Weg zu akzeptieren.
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