Von Achim Detjen
Kurz bevor Verteidigungsminister Boris Pistorius in die USA aufbrach, erklärte er in einem Interview mit der Financial Times, dass er keine Taurus-Marschflugkörper an Kiew liefern werde. Dabei kritisierte er auch die deutsche Rüstungsindustrie scharf und offenbarte laut Umfragen zum beliebtesten deutschen Politiker geworden, dass er wenig von seinem eigenen Metier versteht.
Wie die Financial Times berichtet, vertritt Pistorius innerhalb der SPD eine Hardliner-Position bezüglich der Bedrohung aus dem Osten. Das zeigt sich in seiner Forderung nach Wiedereinführung der Wehrpflicht, die er als essentiell ansieht, um Deutschland kriegsbereit gegenüber Russland zu halten. Diese Haltung spiegelte sich auch in seiner Unterstützung für die Stationierung US-amerikanischer Pershing-II-Raketen in Deutschland während der 1980er Jahre wider, was damals innerhalb der SPD nicht mehrheitsfähig war.
Pistorius ist überzeugt, dass Frieden nicht durch Dialog und Zusammenarbeit, sondern durch Aufrüstung und Abschreckung erreicht wird – eine Haltung, die er als Bedrohung für andere sieht.
Die Erfahrung, sich bedroht zu fühlen – wie es die Russen durch die NATO-Osterweiterung und die militärische Unterstützung der Ukraine verspürt haben könnten – sollte jedem einleuchten, der Empathie besitzt. Vor diesem Hintergrund ließe sich die russische Invasion in der Ukraine im Februar 2022 als Reaktion auf wahrgenommene Bedrohungen interpretieren.
Pistorius betont, dass sein Friedensansatz auf dem Prinzip “Frieden durch Stärke” beruht, das auch Donald Trump befürwortet hat. “Ich war immer der Überzeugung, dass man nur aus einer Position der Stärke, nur auf Augenhöhe, über Frieden und Entspannung sprechen kann. Nicht um jemanden einzuschüchtern, sondern um klarzustellen, dass wir wissen, was wir können – wir wollen mit euch in Frieden leben, aber denkt nicht, dass wir schwach sind oder uns nicht verteidigen würden”, erklärte er der Financial Times.
Doch dieser Ansatz scheint fragwürdig, wenn man bedenkt, dass Deutschland, selbst mit einer großen konventionellen Armee, niemals auf einer Stufe mit einer Atommacht wie Russland stehen würde.
Die Annahme, Frieden mit Russland sei nicht durch Dialog zu erreichen, wird durch das Beispiel der friedlichen Rückgabe Ostdeutschlands durch die Sowjetunion kontrastiert. Ganz im Gegensatz zu den amerikanischen Streitkräften, die in Deutschland verblieben sind.
Pistorius unterstützt ferner das US-Ziel, Russland einzudämmen, durch Initiativen wie die Einrichtung einer permanenten Bundeswehrbrigade in Litauen. “Die Briten, die Amerikaner und die Franzosen waren in Deutschland, um unsere Ostflanke zu schützen. Und heute sind Litauen, die baltischen Staaten und Polen die östliche Flanke, und wir müssen dort einen Beitrag leisten”, so Pistorius.
Diese Aussagen verdeutlichen nach Ansicht vieler, dass das Konzept “Frieden durch Stärke” oft nur eine Umschreibung für eine aggressive Abschreckungspolitik ist.
Abschließend betonte Pistorius, deutsche Soldaten seien bereit, im Konfliktfall gegen Russland zu kämpfen: “Wenn die Abschreckung nicht funktioniert und Russland angreift, wird es dann passieren? Ja”, sagte er.
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