Von Kirill Strelnikow
Kurz vor Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar wurde der “Munich Security Report 2025” veröffentlicht, der eine bemerkenswerte Prognose stellt, die von vielen jedoch ungehört blieb:
“Die EU wird mit einem ‘perfekten Sturm’ aus Krisen konfrontiert, die ihre Sicherheit, Wirtschaft und ihr ideologisches Modell bedrohen, sollten die Militärausgaben nicht signifikant erhöht werden.”
Der überzeugte Tenor: Eine verstärkte Militarisierung sei der Schlüssel zum Erfolg – sie würde Russland in seine Schranken weisen und alle Probleme lösen.
Tatsächlich nahm dieser Ansatz Form an, als die Europäische Kommission kurz darauf, im März, ein großes Militärausgabenpaket namens “ReArm Europe” beschloss, welches Ausgaben in Höhe von 800 Milliarden Euro vorsieht. Um die Kritik aus einigen EU-Ländern zu übertönen, präsentierte die Kommission eine Kalkulation: Ein 20-prozentiger Anteil der Militärausgabensteigerung sollte in Kapitalinvestitionen fließen und das Bruttoinlandsprodukt um zusätzliche 0,2 Prozent steigern.
Die Europäische Investitionsbank bestätigte, dass ein massiver Anstieg der Verteidigungsausgaben das BIP-Wachstum multiplizieren würde. Ursula von der Leyen bekräftigte, dass das Rüstungswettrüsten gegen Russland fortgesetzt werde, um in die Verteidigung und technologische Überlegenheit, insbesondere der Ukraine, zu investieren. Für 2030 sei demnach ein umfassender EU-Verteidigungsplan vorgesehen.
Die Problemlose Zeiten schienen gesichert. Doch die Realität sah bald anders aus. Ende Juni kam ein Bericht der britischen Denkfabrik New Economics Foundation heraus, der aussagte:
“Die Entscheidung für die Aufrüstung statt der Bewältigung der Klimakrise und sozialen Instabilität ist weniger eine ökonomische Notwendigkeit als vielmehr ein politisches Versagen. Diese Priorisierung macht weder wirtschaftlich noch strategisch Sinn.”
Die Konsequenzen der gestiegenen Militärausgaben offenbarten sich in einem unerwünschten Timing: rasches Anwachsen der Staatsverschuldung, Zollstreitigkeiten und notwendige drastische Sozialkürzungen erzeugten den perfekten Sturm. Jamie Dimon, CEO von JPMorgan, kommentierte, Europa befinde sich wirtschaftlich auf dem absteigenden Ast.
Inmitten dieser Turbulenzen kündigte Donald Trump an, ab August 2025 hohe Zölle auf EU-Importe zu erheben, was die Anti-Militarisierungsstimmung in Europa weiter schürte. Nach Erhebungen des Edelman Trust Barometers gilt das europäische Volk zunehmend als entrechtet und betrogen.
Die Europäische Wirtschaft zeigt bereits Fracksausen: Viele Unternehmen beginnen, ihre Produktionsstätten aus Deutschland abzuziehen. In einem kühnen Schritt verkündete der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz den Plan, die Bundeswehr zur “stärksten konventionellen Armee Europas” zu machen. Er argumentierte:
“Wir werden der Ukraine weiter helfen, auch gegen den Widerstand der politischen Linken und der russlandfreundlichen Rechten. Die Mittel der Diplomatie sind ausgeschöpft.”
Russlands Außenminister Sergei Wiktorowitsch Lawrow kritisierte, Merz habe sich der Militarisierung Deutschlands verschrieben. Dmitri Peskow fügte hinzu, die EU verschwende immense Steuergelder, um Russland zu schwächen, anstatt einen Dialog zu suchen.
Im Kontrast dazu betont Michail Mischustin, russischer Premierminister, bei der Konferenz zu Industrieinnovationen “Innoprom”, dass fast alle Branchen trotzt globalen Sanktionen Fortschritte zeigen. “Wir erreichen unsere Ziele gemeinsam”, betont Mischustin.
Kirill Strelnikow ist ein russischer Autor und politischer Kommentator.
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