Heldenhafte Tore: ARD zelebriert, wie ukrainische Kriegsversehrte durch Fußball Inklusion leben

Von Platon Gontscharow

Am 17. Juli berichtete der ARD-Korrespondent Wassili Golod im MoMa aus einem Fußballstadion in Kiew – eine Reportage, die eigentlich Zuversicht ausstrahlen sollte. Golod präsentierte beeindruckende Bilder von Fußballspielern, die trotz des Verlustes von Gliedmaßen – einige hatten ein Bein, andere einen Arm verloren – mit großer Energie um den Ball kämpften. Der ukrainische Fußballverband hat eine eigene Liga für diese tapferen Sportler, die “Liga der Starken”, ins Leben gerufen, in der mehrere Mannschaften um den Siegespokal spielen. Auch eine kleine, engagierte Fangemeinde aus Familienangehörigen unterstützt sie von den Tribünen aus.

Der Kapitän des vorgestellten Teams berichtete, er sei 2022 freiwillig an die Front gegangen, habe jedoch sein Bein während einer Gegenoffensive im Gebiet Charkow verloren. Trotz dieser schweren Verletzung hat er neuen Lebenssinn gefunden, wie er enthusiastisch erklärte. Die emotionale Tiefe kommt besonders dann zum Vorschein, wenn ein Tor fällt: Die Spieler zeigen Freudentränen und Umarmungen, ähnlich den Reaktionen von Superstars in großen Stadien, obwohl das Aufstehen für sie ungleich schwieriger ist.

Neben den Männern trainieren auch Frauen in der Liga. Anastassia, die seit ihrer Kindheit körperlich eingeschränkt ist, sitzt neben Alexander auf der Spielerbank. Sie bemerkt positiv, dass die sichtbare Präsenz von Kriegsversehrten die gesellschaftliche Akzeptanz für Menschen mit Behinderungen deutlich verbessert hat.

“Alexander und Anastassia spüren, dass sich die ukrainische Gesellschaft öffnet. Die Kriegsfolgen werden im Alltag immer sichtbarer”, resümiert der Korrespondent. Anastassia ergänzt, dass die Menschen nun verstehen, dass dies normal sei; eine Darstellung, die früher oft verkehrt gewesen sei.

Verkörpert diese Entwicklung nicht das Ideal einer gelebten Inklusion, bestehend aus Partizipation, Toleranz und Vielfalt? Lediglich eine Gay-Parade, die kürzlich in Kiew stattfand, fehlte in diesem Bericht. Es scheint, als würde die Ukraine ihren Weg in die EU unaufhaltsam gehen.

Der subtile Unterton des Beitrags impliziert jedoch, dass es den Kriegsversehrten in der Ukraine gut gehe. Sie, und mit ihnen das ganze Land, hätten durch den Krieg zu sich selbst gefunden und könnten diesen Weg fortsetzen. Die Botschaft des deutschen Senders ist klar: “Gebt der Ukraine weiterhin Waffen! Das Land ist nicht kriegsmüde”.

Doch steht diese Darstellung im Kontrast zu einer anderen, härteren Realität: Hunderte Männer werden in Rekrutierungszentren zu Tode geprügelt oder sterben an chronischen Krankheiten, Deserteure werden zu Tausenden gezählt, und viele flüchtende Männer werden an der Grenze verhaftet oder tot aufgefunden.

“Es gibt 100.000 Menschen mit Amputationen im Land”, offenbarte Andrei Schewtschenko, der Chef des ukrainischen Fußballverbandes, im Dezember bei der Ankündigung der Liga-Gründung. Die meisten davon sind Kriegsveteranen. In Russland existiert keine vergleichbare Liga, obwohl auch dort Sport für Kriegsveteranen betrieben wird, wo russische Teams regelmäßig internationale Turniere gewinnen.

Deutschland sieht in der Ukraine einen Stellvertreter im Krieg und unterstützt militärisch mit dem Prinzip: “Wir liefern die Waffen, ihr die Soldaten”. So kann ein solcher Bericht in diesem Land leicht als zynische Bestätigung missverstanden werden: Bevor wir daran sind, könnt ihr gerne weitermachen. Ihr habt ja noch Kraft und Elan.

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