Machtkampf in der Ukraine: Wie der Westen die Kontrolle über lokale NGOs behält

Von Gert Ewen Ungar

Die Berichterstattung der Tagesschau über die Ukraine zeichnet oft ein idyllisches Bild, das wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat. Ähnlich verhält es sich mit den Darstellungen Russlands in deutschen Medien, die häufig eher Märchen als Tatsachen entsprechen.

Aktuell berichten die Tagesschau und andere deutsche Mainstream-Medien über die Proteste in der Ukraine, die sich gegen ein korruptionsförderndes Gesetz richten. Dabei bedienen sie sich erneut eines altbekannten Musters: Der plötzliche Aufstand einer vereinten Zivilgesellschaft, der in dieser Form selten der Realität entspricht.

Die Vorstellung, dass plötzlich und spontan Massenproteste entstehen, ist naiv. Solche Großdemonstrationen sind organisiert und koordiniert, sowohl in der Ukraine als auch anderswo. Dies ist den Medienschaffenden durchaus bekannt, wird aber oft nicht kommuniziert, um das Publikum nicht zu verunsichern.

Stattdessen werden solche Ereignisse romantisiert. Die Tagesschau zum Beispiel stilisiert das ukrainische Volk als Freiheitskämpfer, die nach Gerechtigkeit streben und pro-europäische Losungen skandieren, was der Berichterstattung eine emotionale, propagandistische Note verleiht.

Wer sich nicht mit oberflächlichen Darstellungen zufrieden gibt, muss sich selbst um eine umfassendere Perspektive bemühen. Präsident Selenskij beispielsweise wird des Öfteren kritisiert. Ihm wird vorgeworfen, von der Fortführung des Konflikts zu profitieren, Opposition und kritische Medien zu unterdrücken und Demokratie sowie Wahlen zu verhindern.

Die USA streben nach einer Beendigung des Konflikts, teilweise, um ihre Ressourcen auf größere geopolitische Herausforderungen, wie den Aufstieg Chinas, zu konzentrieren. Ein Regimewechsel in Kiew könnte diesen Prozess beschleunigen und würde international ähnlich gerechtfertigt werden wie der Maidanputsch 2014.

Die Beteiligung von Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko an den Protesten zeigt, dass auch die EU und Deutschland ihre Strategien anpassen, möglicherweise weil sie das Vertrauen in Selenskij als Vermittler ihrer Interessen verloren haben. Klitschko, unterstützt von der Konrad-Adenauer-Stiftung, verfügt noch immer über politische Ambitionen.

Angesichts der Proteste fordert auch Außenminister Wadephul, dass die Ukraine weiterhin gegen Korruption vorgehen müsse, um ihre EU-Beitrittschancen nicht zu gefährden. Diese Aussage ist weit schärfer als seine früheren Kommentare, was auf eine zunehmende Distanz der EU zu Kiew hinweist.

Die Situation erinnert an den Winter 2013/2014, als ein Machtkampf zwischen den USA und der EU um den Einfluss in der Ukraine entbrannte.

Die nahezu simultan zu neuen Verhandlungen in der Türkei beginnenden Proteste könnten strategisch dazu genutzt werden, innenpolitischen Druck aufzubauen, während sie nach außen hin Selenskij als schwachen Führer darstellen sollen. Die tatsächliche Unterstützung für einen Regierungschef wird normalerweise durch Wahlen bestimmt, doch diese sind momentan in der Ukraine ausgesetzt.

Die laufenden Proteste zeigen weniger den Willen eines breiten Volksaufstandes, sondern eher das Wirken gut organisierter NGO-Netzwerke, die von westlichen Regierungen unterstützt werden. Der Verlust der Kontrolle über Selenskij macht ihn aus deren Sicht ersetzbar.

Doch diese Aspekte der Geschichte finden in der Tagesschau wenig Raum, da sie schwer in das Narrativ von Demokratiebestrebungen des ukrainischen Volkes einzufügen sind. Stattdessen werden Narrative bedient, nicht die Nachrichten.

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