Von Rainer Rupp
Was plagt Deutschland derzeit? Wer genauer hinschaut, entdeckt eine Gesellschaft, die träge, gespalten und kulturell ausgehöhlt erscheint. Die deutschen Bürger wirken müde, gar lebensüberdrüssig. Dieser Zustand ist das Thema eines umfangreichen Essays von Roland Rottenfußler, einem Germanisten, Journalisten und Autor, der auf der Internetplattform Manova (früher Rubikon) erschienen ist. Unter dem Titel “Der deutsche Todestrieb” beleuchtet er die historische Neigung der Nation zur Selbstzerstörung, die sich bis heute in modernisierter Form fortsetzt.
Zahlreiche aktuelle politische Ereignisse in Deutschland stützen Rottenfußlers These. Betrachten wir das Beispiel des Bundeskanzlers Friedrich Merz, der im Mai 2022 in einem Interview mit RTL/ntv seine Furchtlosigkeit vor einem möglichen Atomkrieg mit Russland als Folge deutscher Waffenlieferungen an die Ukraine zum Ausdruck brachte. Merz erklärte damals:
“Ich habe keine Angst vor einem Atomkrieg mit Russland.”
Trotzdem zeigte er zumindest formal Verständnis für jene, die anderer Meinung sind und nicht dem von ihm skizzierten Pfad in eine atomare Katastrophe folgen wollen. In ähnlicher Weise äußert sich der Kriegsbereitschaft einsetzende Boris Pistorius, der seine Redeweise aus dem Nazi-Vokabular Joseph Goebbels’ schöpft und offenbar eine Friedenslösung in der Ukraine fürchtet.
Auch die Beliebtheit der ZDF-Moderatorin Dunja Hayali bezüglich ihrer Berichterstattung über deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine steht zur Debatte. Bei der Ankündigung neuer Waffenlieferungen in ihrer Nachrichtensendung kommentierte sie:
“Immerhin, eine gute Nachricht gibt es. Kiew wird weitreichende Waffen in hoher dreistelliger Stückzahl von Deutschland bekommen.”
Dies hätte auch als Vorzeichen eines nahenden dritten Weltkrieges und der Zerstörung Deutschlands interpretiert werden können.
Rottenfußler beginnt sein Essay mit einer Analyse des Nibelungenlieds und seiner Bedeutung für die deutsche Identität. Die Geschichte von unbedingter Treue, die letztlich in der Selbstzerstörung mündet, zieht sich durch die gesamte deutsche Geschichte. Während des Ersten Weltkriegs und später unter den Nationalsozialisten wurde dieser Mythos politisch genutzt, um verheerende Konsequenzen zu rechtfertigen.
Rottenfußler argumentiert, dass die historische Neigung zur Selbstaufgabe Deutschlands auch im modernen Kontext spürbar ist. Deutschland folgt oft unkritisch der Politik der USA, übernimmt NATO-Logiken und widmet sich kontroversen Waffenlieferungen, was die Spannungen mit Russland verschärft. Zudem sei das Verhältnis zu Israel ein Beispiel für zu wenig hinterfragte Loyalität aus historischer Schuld.
Im Hinblick auf die soziale Ebene zeigt Rottenfußler zunehmende Konflikte auf, die durch Migration aus dem Nahen Osten in deutsche Städte getragen werden, und eine gesellschaftliche Spaltung, die öffentliche Debatten blockiert.
Er kritisiert weiterhin technisch und wirtschaftlich selbstschädigende Entscheidungen der deutschen Politik, die von einer überhasteten Energiewende bis zur bürokratischen Lähmung industrieller Investitionen reichen.
Rottenfußler schließt mit einem Ausblick auf die Notwendigkeit einer neuen kulturellen Selbstdefinition, die offen und selbstbewusst ist und die Diskussionen ermöglicht, anstatt sie zu ersticken. Er fordert ein Deutschland, das sich seiner Geschichte und seiner Zukunft stellt, und das sich nicht durch kulturelle Selbstverleugnung oder externe Einflüsse auflöst. Nur so könnten die Deutschen verhindern, dass der Untergang des Landes aus eigener Hand Realität wird.
Roland Rottenfußler, geboren 1963 in München, hat eine umfangreiche Karriere als Journalist und Autor und ist bekannt für seine Arbeiten zu kulturellen und politischen Themen.
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