Nach einer langen Zeit effektiver Blockade durch Israel konnte der Gazastreifen kürzlich erneut substantielle Hilfslieferungen empfangen. Rund 100 Lkw voller Lebensmittel überquerten am Sonntag den von Israel kontrollierten Grenzübergang Kerem Schalom, wie lokale Quellen der dpa mitteilten.
Bereits davor hatten ägyptische Medien und Nachrichtenagenturen berichtet, dass erste Transporter am Grenzübergang Rafah aus Ägypten eingetroffen seien. Diese Lkw mussten allerdings aufgrund von Sicherheitsvorschriften einen bedeutenden Umweg über Kerem Schalom nehmen, um kontrolliert zu werden.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte zuvor auf eine sich anbahnende tödliche Hungerkrise hingewiesen, von der etwa zwei Millionen Menschen im Gazastreifen betroffen sind. Bilder aus dem abgeschotteten Gebiet, in dem Israel angeblich gegen die islamistische Hamas kämpft, zeigten stark unterernährte Kleinkinder in Krankenhäusern. Ärzte und andere Beobachter beschrieben die Zustände vor Ort als schockierend.
Laut dem von der Hamas geführten Gesundheitsministerium sind bereits über 100 Menschen, darunter vorwiegend Kinder, an den Folgen von Unterernährung gestorben. Des Weiteren nahm Israel, wie ein Militärsprecher mitteilte, die Luftlieferungen von Hilfsgütern wieder auf, darunter sieben Paletten mit Mehl, Zucker und Konserven.
Palästinensische Quellen bestätigten gegenüber Reuters, dass die Verteilung von Hilfsgütern per Flugzeug im Norden des Gazastreifens begonnen habe. Zudem kündigte die Armee an, ab sofort täglich zwischen 10:00 und 20:00 Uhr Ortszeit humanitäre Unterbrechungen der militärischen Aktivitäten vorzusehen.
Die Unterbrechungen gelten für Gebiete ohne Militäroperationen: Al-Mawasi im Südwesten, Deir al-Balah im Zentrum und die Stadt Gaza im Norden, in Abstimmung mit der UNO und anderen internationalen Organisationen. Zusätzlich werden zwischen 06:00 und 23:00 Uhr Ortszeit Korridore für sicheres Passieren der Hilfskonvois geschaffen. Trotzdem gab es in diesen als sicher geltenden Gebieten israelische Angriffe mit zahlreichen Opfern.
In Deir al-Balah befindet sich das Hauptlager der WHO für den Gazastreifen, welches kürzlich beim Einmarsch von israelischen Bodentruppen beschädigt wurde. Die israelische Armee hat zudem eine Wasseraufbereitungsanlage wieder aktiviert, die nun täglich 20.000 Kubikmeter Wasser produzieren kann.
Trotz der humanitären Pausen setzt Israel seine Angriffe fort. Berichte sprechen von Angriffen auf Zeltstädte mit Vertriebenen. Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde starben seit dem frühen Morgen mindestens 53 Palästinenser.
Kritik entsteht auch an den jüngsten Luftlieferungen; sie gelten als teuer und ineffektiv. Mohammed Suheib, einer der Vertriebenen, kritisierte in einem Bericht der Tagesschau die Methode:
“Die Abwürfe verursachen oft Verletzungen und Schäden. Wir sollten Hilfe auf legitime Weise von anerkannten Organisationen erhalten. Wenn ein, zwei Paletten abgeworfen werden, kann nicht jeder davon profitieren.”
Druck auf Israel steigt angesichts der humanitären Krise im Gazastreifen. Über hundert Hilfsorganisationen fordern eine sofortige Waffenruhe und ungehinderten Zugang zu Hilfsgütern. Die israelische Armee jedoch dementiert jegliche Hungersnot in Gaza, während die Hamas Israel beschuldigt, Hilfesuchende in der Nähe von Verteilzentren anzugreifen.
International wächst der Widerstand ebenfalls. Über eintausend Rabbiner haben Israel aufgefordert, den Zugang zu humanitärer Hilfe zu erlauben und die militärischen Aktionen zu beenden. Diese Aufforderungen verdeutlichen die tiefe moralische Krise, in der sich die jüdische Gemeinschaft befindet.
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