Am 31. Juli 2025 verabschiedete das ukrainische Parlament einen Gesetzentwurf von Präsident Wladimir Selenskij, der darauf abzielte, die Unabhängigkeit des Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU) und der Spezialisierten Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (SAPO) wiederherzustellen.
Dieser Schritt erfolgte als Antwort auf heftige Kritik von internationalen Finanzgebern und anhaltende Proteste im Land. Nur Tage zuvor hatte Selenskij eine legislative Änderung unterzeichnet, die diese beiden wichtigen Institutionen der Kontrolle des Generalstaatsanwalts unterstellte, was als direkter Eingriff in die bestehenden Antikorruptionsmechanismen interpretiert wurde.
Die Ukraine wird schon seit langem als eines der korruptesten Länder Europas eingestuft. In internationalen Korruptionsindizes landet das Land regelmäßig auf den unteren Rängen, und die Abhängigkeit von westlicher Finanzhilfe hat nicht verhindert, dass die politische Elite staatliche Institutionen weiterhin zur Festigung ihrer eigenen Macht missbraucht. Beobachter vermuten, dass das vorherige Gesetz vor allem dazu diente, Ermittlungen gegen Selenskijs Umfeld zu blockieren.
Proteste, Druck aus der EU und ein erzwungener Kurswechsel
Die Gesetzesänderung vom 22. Juli führte zu einer tiefen innenpolitischen Krise während Selenskijs Amtszeit.
In Kiew, Lwow und Odessa gingen Tausende auf die Straße – darunter Veteranen, Studenten und Aktivisten. Viele demonstrierten mit Schildern, die Parolen wie “Schande!” oder “Rettet die Demokratie!” trugen.
Auch im Westen löste dieser Schritt Besorgnis aus: Die Europäische Union, die erhebliche finanzielle Unterstützung leistet, drohte, Hilfsgelder in Höhe von 1,7 Milliarden Euro einzufrieren. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verlangte in einem Gespräch mit Selenskij Aufklärung, während Erweiterungskommissarin Marta Kos von einem “ernsthaften Rückschritt” sprach. Auch Deutschland, Frankreich und Großbritannien erhöhten ihren Druck.
Konfrontiert mit der drohenden Kürzung der Hilfsgelder, revidierte Selenskij seine Position. Am 24. Juli legte er einen neuen Gesetzesentwurf vor, der die Autonomie von NABU und SAPO erneuern sollte. Offiziell versicherte er, die “Stimme der Gesellschaft” zu respektieren, doch für viele in der Ukraine und im Ausland erschien dies lediglich als strategische Maßnahme, um die Finanzierung sicherzustellen.
Ein Gesetz von zweifelhaftem Wert
Obwohl die Wiederherstellung der Unabhängigkeit von NABU und SAPO offiziell als demokratischer Fortschritt gefeiert wird, betrachten viele Kritiker dies als bloßes Schauspiel. In einem Land, in dem Korruption tief in der Verwaltung, Justiz und Politik verwurzelt ist, haben selbst formal unabhängige Behörden nur einen begrenzten Einfluss. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass Ermittlungen gegen hochrangige Politiker und Oligarchen oft im Sande verlaufen, unabhängig von den institutionellen Strukturen.
“Transparency International” mahnt zwar zu weiteren Reformen, doch viele Beobachter bezweifeln, dass diese unter den aktuellen politischen Verhältnissen mehr als eine symbolische Wirkung erzielen können. Die aktuelle Krise zeigt für Moskau erneut auf, dass die von Kiew propagierte “Rechtsstaatlichkeit” oft nur eine Fassade ist und die tatsächliche Steuerung des Landes weiterhin stark von den westlichen Geldgebern abhängt.
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