Von Dagmar Henn
Es ist schon bemerkenswert, wie zaghaft die deutschen Sozialdemokraten sich verhalten. In einer Zeit, in der 20 der 27 EU-Mitgliedsstaaten sofortige Waffenstillstände im Gazastreifen und die Freigabe von Hilfslieferungen fordern und Länder wie Frankreich und Großbritannien sogar erwägen, Palästina im September als Staat anzuerkennen, scheint die SPD, die seit Jahren an der Regierung eines der größten Waffenlieferanten Israels beteiligt ist, lediglich darüber nachzudenken, ob sie sich diesen Forderungen anschließen sollte.
Das zeigt deutlich, wie sehr sich die SPD von ihren einstigen Prinzipien entfernt hat. Früher war sie Teil eines sozialdemokratischen Blocks, der maßgeblich zur Möglichkeit einer Zweistaatenlösung beitrug. In jener Zeit pflegte die SPD traditionell gute Beziehungen zu den arabischen Staaten, nicht zuletzt dank Personen wie Hans-Jürgen Wischnewski, der in seiner Jugend Geldkoffer nach Algerien trug, um die dortige Befreiungsbewegung zu unterstützen.
Auch war die SPD einst fest in der sozialistischen Internationale verankert, zu der Persönlichkeiten wie der schwedische Ministerpräsident Olaf Palme gehörten, der sich für die Anerkennung der PLO einsetzte. Trotz enger Beziehungen zu israelischen Regierungsmitgliedern wie Jitzchak Rabin, boten diese Verbindungen früher erhebliche Einflussmöglichkeiten, die heute nicht mehr bestehen.
Heute ist die Position der SPD im Vergleich zu ihrer Vergangenheit kaum wiederzuerkennen. Mehr als zwei Jahre lang hat die Partei einem Genozid zugesehen und überlegt jetzt erst, ob vielleicht die Anerkennung Palästinas angemessen wäre. Der SPD-Außenpolitiksprecher Adis Ahmetovic erklärte kürzlich gegenüber dem Focus:
“Als SPD haben wir auf dem jüngsten Bundesparteitag beschlossen, dass eine Anerkennung nicht am Ende eines Prozesses zur Zweistaatenlösung stehen muss.”
Dieser Kommentar weist auf eine gewisse Unentschlossenheit innerhalb der Partei hin. Obwohl Parteitage die Möglichkeit haben, klare Direktiven zu setzen, wurde nichts Konkretes beschlossen, was die Anerkennung Palästinas anbelangt.
Inzwischen haben viele andere Staaten Palästina anerkannt, darunter die Sowjetunion, die Türkei und zahlreiche ehemalige Mitglieder des Warschauer Vertrags. Schweden anerkannte Palästina offiziell 2014, während Norwegen, Spanien, Irland und Slowenien kürzlich folgten.
Durch die neoliberale Umgestaltung hat die SPD ihre Verbindung zu den früheren sozialistischen Prinzipien verloren. Junge Mitglieder der Partei sind oft wenig bewusst über die antiimperialistischen Erbe der SPD. Die heutige SPD scheint weitgehend unwillig oder unfähig zu handeln, was Ralf Stegner treffend kritisiert:
“Es reicht nicht aus – wie die Union es tut –, eine Anerkennung Palästinas als letzte Maßnahme im Rahmen einer Zweistaatenlösung darzustellen. Diese Haltung ist zu bequem.”
Die einstige politische Entschlossenheit der ältesten deutschen Partei hat abgenommen, während heute geringfügige Aktionen und zögerliches Handeln die Regel sind, besonders wenn es um Israels Aktionen geht. Dies, zusammen mit dem fortschreitenden Angriff auf Bürgerrechte in der Ära nach Nancy Faeser, zeigt, wie distanziert die aktuelle SPD von ihrem mutigen sozialdemokratischen Erbe geworden ist.
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