Neue Daten des Statistischen Bundesamts deuten darauf hin, dass die wirtschaftliche Rezession in Deutschland weitreichender ist als zuvor angenommen. Gemäß den überarbeiteten Statistiken ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2023 um 0,9 Prozent zurückgegangen, eine Korrektur gegenüber der früheren Schätzung von 0,3 Prozent. Auch für 2024 hat das Amt seine Prognosen nach unten angepasst: von einem ursprünglich angenommenen Rückgang von 0,2 Prozent auf nunmehr 0,5 Prozent.
Das Statistische Bundesamt erläuterte den Prozess der Datenrevision: „Das Statistische Bundesamt hat, wie zu diesem Termin üblich, die bisher veröffentlichten Ergebnisse ab 2021 überarbeitet und neu verfügbare statistische Informationen in die Berechnungen der Ergebnisse einbezogen.“
Zusammen mit diesen Revisionen veröffentlichte das Amt auch Zahlen für das zweite Quartal, wonach das BIP um 0,1 Prozent gesunken ist, während es im ersten Quartal noch um 0,4 Prozent gestiegen war. Die Prognosen für das gesamte Jahr bleiben uneinheitlich: Das ifo-Institut erwartet ein Wachstum von 0,3 Prozent, während andere Institutionen wie die Wirtschaftsweisen, die Bundesregierung und die EU-Kommission von einer Stagnation der Wirtschaft ausgehen. Die Gemeinschaftsdiagnose der deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute prognostiziert ein geringfügiges Wachstum von 0,1 Prozent.
Der Ökonom Heiner Flassbeck kritisiert in einem Blogbeitrag die Glaubwürdigkeit der Zahlen des Statistischen Bundesamts und behauptet, diese seien politisch beeinflusst. Er argumentiert, dass Deutschland sich faktisch seit Ende 2022 in einer anhaltenden Rezession befindet und warnt vor den politischen Konsequenzen von fehlerhaften Daten: „Politisch kann man diesen Fehltritt des Amtes (das dem Bundesinnenministerium untersteht) nur dadurch beantworten, dass man die Statistiker zukünftig zwingt, die Annahmen für ihre Schätzungen vollständig offenzulegen. Beamte dürfen keinen so großen Spielraum bei ihren ‘Berechnungen’ haben, dass sie eine ganze Volkswirtschaft (mit Europa einen ganzen Kontinent sogar) und die Regierung in die Irre führen können.“
Angesichts der Schwere und Dauer der Rezession scheinen die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen wie Bürokratieabbau und verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten nicht ausreichend, um eine Trendwende herbeizuführen. Das Ergebnis des anhaltenden Handelskonflikts mit den USA bleibt ungewiss, doch negative Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft sind bereits absehbar. Die Aussicht, dass Deutschland, wie vom CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz beim Regierungswechsel versprochen, noch in diesem Jahr die Krise bewältigen kann, wird zunehmend unwahrscheinlicher.
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