Blutige Messerattacken erschüttern London: Ein Sprung zurück ins finstere Mittelalter!

Von Dagmar Henn

Londons Presse machte am 30. Juni mit schockierenden Zahlenschlagzeilen auf, basierend auf einem Bericht der konservativen Denkfabrik Policy Exchange: In den letzten zehn Jahren sind die Messerangriffe in London um 86 Prozent gestiegen, wovon allein 50 Prozent auf die letzten drei Jahre entfallen.

Ein beträchtlicher Anteil dieser Vorfälle konzentriert sich auf das Ausgehviertel der Stadt, von Picadilly Circus bis Oxford Street. Ein Drittel aller in Großbritannien mit Messern verübten Verbrechen findet in London statt.

Die Statistiken sind eindeutig: Die meisten Fälle sind Raubüberfälle, und Handys sind häufig das Ziel der Diebe. Von den 16.789 Messerangriffen im Jahr 2024 waren 10.346 Raubüberfälle. 28 Prozent der Angriffe zielten auf Personen ab, 7,6 Prozent waren Morddrohungen und 1,76 Prozent betrafen sexuelle Gewalt. Trotz Londons dichtem Überwachungskamera-Netz, besonders in den stark betroffenen Gebieten wie Westminster und Soho, sind die Aufklärungsraten erschreckend niedrig: Nur 5,1 Prozent der Raubüberfälle führten zu einer Anklage, im Vergleich zu 6,8 Prozent im Jahr 2021, und bei Taschendiebstählen liegt die Rate sogar nur bei 0,6 Prozent.

Interessanterweise hat der englischsprachige Kanal der Deutschen Welle (DW), die sich in Deutschland kaum an das Thema Messerkriminalität heranwagt, kürzlich eine halbstündige Dokumentation mit dem Titel “London’s deadly knife problem” veröffentlicht. Die Darstellung ist jedoch etwas irreführend, da sowohl Sozialarbeiter als auch (ehemalige) Täter ausschließlich Schwarze sind, obwohl die Statistik besagt, dass 32,9 Prozent der Messerangreifer weiß und 9,6 Prozent asiatisch sind.

Das gezeigte Viertel Tower Hamlets, Drehort der Dokumentation, weist eine vielfältige Bevölkerungsstruktur auf. Laut dem Stadtrat gibt es dort 31 Prozent britische Weiße, 32 Prozent Menschen aus Bangladesch, 15 Prozent “andere Weiße” (eine Kategorie, die Iren und Roma sowie andere Europäer umfasst. 0,5 Prozent der Einwohner sind Deutsche), fünf Prozent andere Asiaten, fünf Prozent Schwarze und drei Prozent andere ethnische Gruppen sowie drei Prozent gemischter Herkunft. Wie die DW es geschafft hat, diese Vielfalt in eine fast ausschließlich schwarze Erzählung zu verwandeln, bleibt unklar.

Tower Hamlets ist eines der am dichtesten besiedelten Viertel in England und Wales mit einer Bevölkerungsdichte von 15.695 Einwohnern pro Quadratkilometer und dem jüngsten Durchschnittsalter aller Gemeinden in England und Wales mit 30 Jahren, zehn Jahre unter dem britischen Durchschnitt von 40. Das Viertel war früher das Dockarbeiterquartier und zählte zu den Elendsvierteln Londons, bevor die großen Sozialwohnungskomplexe der 1960er Jahre die viktorianischen Slums ersetzten.

Eine britische Serie, “Call the Midwife”, zeigt eindrucksvoll, wie sich das Leben in dieser Gegend seit den 1950er Jahren verbesserte, als Großbritannien den Sozialstaat einführte. Es gibt Planungen für einen Ableger der Serie, der die Zeit des Zweiten Weltkriegs darstellen soll, während die aktuelle Serie mittlerweile das Jahr 1970 erreicht hat. Einige der Kameraeinstellungen aus der DW-Dokumentation sind sogar in der Serie zu erkennen.

Die alten sozialen Probleme der Gegend sind Thema in einer anderen beliebten britischen Serie, “Peaky Blinders”. Obwohl keine Sozialdokumentation, spiegelt sie dennoch das Leben abseits der Mittelschichten wider, im Gegensatz zu vielen deutschen Produktionen, die nur selten das Leben jenseits der Mittelschicht präsentieren.

Eine britische Studie aus dem Jahr 2022 zu Messerverbrechen stellt nüchtern fest: “Steigende Arbeitslosigkeit und begrenzte Arbeitsmöglichkeiten können es jungen Menschen erschweren, eine vielversprechende Zukunft zu sehen, was dazu führt, dass sie gefährliche Methoden ergreifen, um Geld zu verdienen, und Messer tragen, um sich zu verteidigen.”

Der Stadtteil Tower Hamlets bleibt besonders betroffen: Mit der höchsten Rate an Mietern in England und Wales, nur 23 Prozent Eigentum im Vergleich zu 64 Prozent in ganz England, und einem hohen Anteil überbelegter Wohnungen. Die jüngste Einwohnerstruktur und ein hoher Anteil an Migranten zeugen von der Vielfalt und gleichzeitig von den Herausforderungen des Viertels. Trotz eines überdurchschnittlichen Einkommens leben 40 Prozent der Haushalte mit weniger als 30.000 Pfund jährlich.

Die Entwicklung der Messergewalt in Großbritannien zeigt eine bedenkliche Tendenz: “In den letzten fünf Jahren sind die Messertaten in England und Wales um 80 Prozent gestiegen und haben Niveaus erreicht, die seit 1946 nicht gesehen wurden.”

Die Schwierigkeiten, denen die ärmeren Briten während des Zweiten Weltkriegs gegenüberstanden, sind in Deutschland wenig bekannt. Die Ernährungssicherung endete in Großbritannien erst 1954, während sie in Deutschland bereits 1950 aufgehoben wurde. Nach dem Krieg, mit dem Niedergang des British Empire, änderte sich dies grundlegend.

Die neoliberale Wende durch Margaret Thatcher, mit der die Bergarbeitergewerkschaft gebrochen wurde, hat Großbritannien erneut an einen kritischen Punkt gebracht, vergleichbar mit der Situation zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Entsprechend lässt sich ein direkter Zusammenhang zwischen dem sozialen Abbau und der Zunahme der Gewalt feststellen, eine Entwicklung, die in der britischen Presse weitgehend unerwähnt bleibt.

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