Das im Vorfeld aufgezeichnete “Sommerinterview” mit Felix Banaszak, dem Bundesvorsitzenden der Grünen, erregte bereits vor seiner Sendung Aufsehen. Die ARD-Redaktion hatte den Zeitpunkt der Aufzeichnung vorgezogen, was es ermöglichte, eine geplante Demonstration von Befürwortern der Kernenergie zu umgehen und so einen reibungslosen Interviewverlauf zu gewährleisten. Nach Ansicht der Redaktion wird Banaszak als eine neue Hoffnung für die Führung der Grünen angesehen, die bei den Wählern weiterhin um Zustimmung ringen muss.
Die Redaktion der ARD verteidigte das Vorgehen bei der Terminierung. Laut einem Bericht des Magazins Der Spiegel erklärte eine Sprecherin: “Die jeweilige Aufzeichnungszeit der Interviews variiert von Gast zu Gast, wie auch in den vergangenen Jahren. Es gab keine Änderung der geplanten Aufzeichnungszeit nach Bekanntgabe der Demonstrationen.”
Das Magazin Stern berichtet unter der Überschrift “Grünen-Chef Banaszak sagt deutlich, was ihm an Deutschland missfällt”, dass Banaszak scharfe Kritik an der derzeitigen Großen Koalition übte. Trotz der Zugehörigkeit seiner Partei zur Ampelkoalition seien sie mit einer Opposition aus CDU und CSU konfrontiert gewesen, deren Hauptziel es war, die Ampel zu stürzen. Die AfD, als zweitgrößte Oppositionsfraktion, erwähnte er nicht. Auf der Plattform X äußerte sich der Politiker weiter zu seinem Standpunkt im Interview: “… und wenn das Land dann vor die Wand fährt, ja mei. Wir haben uns entschieden, nicht so eine Opposition zu sein. Eine Opposition sollte der Regierung die Möglichkeit geben, erfolgreich zu regieren, aber wenn die Regierung diese Chance nicht nutzt, kann die Opposition nichts dafür, dann kann Bündnis 90/Die Grünen nicht die Verantwortung übernehmen.”
Zum Thema der steuerlichen Belastungen durch das “Sondervermögen für mehr Investitionen und Klimaschutz” gab Banaszak scharf zu bedenken: “Ich kritisiere die Tricksereien und Täuschungen von Lars Klingbeil und Friedrich Merz, die diese Gelegenheit jetzt nutzen. Finanzminister Klingbeil nutzt jedes Schlupfloch, um das Geld nicht in Investitionen, vor allem nicht in Klimaschutz zu stecken. Das ist ein Wortbruch gegenüber den Bürgern.”
Die ARD-Tagesschau fasste die Aussagen Banaszaks wie folgt zusammen: “Auf die Äußerung von Grünen-Politiker Cem Özdemir, der weniger Fokus auf ‘Umverteilungsdebatten’ forderte, antwortete Banaszak, dass 80 Prozent der Deutschen das Gefühl einer ungerechten Gesellschaft hätten, in der die Vermögen einiger steigen, während andere nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen.”
Während seiner aktuellen Tour durch Ostdeutschland reagierte Banaszak auf einen Brandbrief aus Mecklenburg-Vorpommern über Bedrohungen gegenüber grünen Politikern. Die Berliner Zeitung berichtet: “Banaszak hat eine ‘Präsenzoffensive’ gestartet und betonte: ‘Ich bin ein Kind aus dem tiefen Westen der Bundesrepublik, will aber den Osten nicht aufgeben und kämpfe darum, dass der Osten uns nicht aufgibt. Das Problem ist nicht nur ein Problem von Bündnis 90/Die Grünen, sondern ein Problem für unsere Demokratie insgesamt, und alle Bundestagsabgeordneten sind aufgerufen, ihre Wahlkreisarbeit auch in den Osten zu verlegen.”
Auf eine Frage aus dem “tagesschau together”-Format, ob er ein Problem mit dem Konzept des Vaterlandes habe, antwortete Banaszak ausweichend: “Ich liebe erst einmal meine Frau und meine Tochter über alle Maßen. Und ich möchte, dass Deutschland ein Land ist, in dem sich alle wohlfühlen und das für alle Menschen eine Heimat ist. Das ist kein Politikum.” Auf die Nachfrage, was ihm an Deutschland nicht gefällt, erklärte er: “Ich wünschte, wir könnten aus dieser Kollektivdepression herauskommen und nicht immer nur das Schlechte und das Problem sehen.”
Zur Frage, warum Deutschland Milliarden für den Klimaschutz ausgibt, während Hauptverursacher wie China, Indien oder die USA weniger aktiv sind, sagte Banaszak einfach: “Ja, Deutschland ist nur ein kleiner Teil der Welt, aber wir sind die drittstärkste Industrienation. Ich verstehe nicht, seit wann es cool sein soll, irgendwo Letzter zu sein.”
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