Der Handelsverband Deutschland (HDE) schlägt Alarm: Der Verband, der die Interessen von etwa 400.000 Unternehmen mit nahezu drei Millionen Beschäftigten im deutschen Einzelhandel vertritt, beobachtet eine drastische Zunahme von Ladendiebstählen. Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des HDE, berichtet in einem Interview mit t-online von einem Schaden in Höhe von ungefähr drei Milliarden Euro im Jahr 2024, was einen Anstieg um 20 Prozent innerhalb von zwei Jahren bedeutet. Er verweist auf die Aktivitäten „organisierter Banden“ und „zunehmend aggressiver Einzeltäter“, welche die Situation verschärfen.
Gründe für den Anstieg
Die Täter agieren laut Genth immer professioneller und formieren sich in Gruppen, die systematisch durch die Innenstädte ziehen und gezielt hochwertige Produkte wie Parfüm, Schuhe und Elektronikartikel entwenden, um sie anschließend auf dem Graumarkt zu verkaufen. Die zunehmende Aggressivität der Diebe führt außerdem dazu, dass Verkaufspersonal, das Diebe stellt, häufig attackiert wird. Ein weiteres Problem sieht Genth in der Justiz: Viele Staatsanwaltschaften stellen Strafverfahren aus Effizienzgründen ein, was zu einer hohen Frustration bei den Einzelhändlern führt und die Dunkelziffer der Diebstähle in die Höhe treibt. Tatsächlich werden, so Genth, “98 Prozent der Diebstähle nicht angezeigt.”
Konsequenzen für den Handel
Der deutliche Anstieg der Diebstähle zwingt Einzelhändler dazu, massiv in Präventionsmaßnahmen wie Warensicherungen und Videoüberwachung zu investieren. Zusätzliche Ausgaben entstehen durch die Notwendigkeit, das Personal entsprechend zu schulen oder zusätzliches Sicherheitspersonal zu engagieren. Einige Einzelhändler in den Stadtzentren haben zudem begonnen, gemeinsame Sicherheitsdienste zu organisieren. Die Kosten hierfür beliefen sich allein im letzten Jahr auf 1,5 Milliarden Euro. Genth fürchtet eine Entwicklung ähnlich der in den USA, wo viele Waren hinter Glas verschlossen sind, was ein allgemeines Misstrauen gegenüber den Kunden signalisiert:
“Ich fürchte Zustände wie in den USA, wo fast alles hinter Glas liegt. Das ist ein Ausdruck von Misstrauen gegenüber allen Kunden – obwohl über 90 Prozent ehrlich sind.”
Forderung an den Staat
Um der Situation Herr zu werden, fordert der HDE strengere staatliche Maßnahmen und gesetzliche Änderungen, die eine Einstellung von Verfahren wegen Ladendiebstahls reduzieren. Der Staat müsse zudem für eine bessere personelle und technische Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte sorgen. Der Verband begrüßt in diesem Kontext den vom Bund angekündigten “Pakt für den Rechtsstaat” 2026, um eine effiziente Strafverfolgung sicherzustellen.
Diese Entwicklungen erhöhen die Betriebskosten für den Einzelhandel zusätzlich, der bereits durch die Konkurrenz von Online-Plattformen und Billiganbietern unter Druck steht. Zudem verlagern viele Kunden ihren Einkauf zunehmend ins Internet, was den klassischen Einkaufsbummel in den Innenstädten zurückgehen lässt.