Massenabwanderung und Präsidentenkonflikt: Polen am Rande einer Arbeitsmarktkrise durch EU-Streitigkeiten

Nach seinem Amtsantritt signalisiert Karol Nawrocki, unterstützt von der rechtspopulistischen Partei PiS, einen nationalistischen und konfrontativen politischen Kurs. Der 42-jährige Historiker und erklärte Trump-Anhänger fordert von der Ukraine die Anerkennung von Kriegsverbrechen an Polen während des Zweiten Weltkriegs, insbesondere des Massakers von Wolhynien. Zudem spricht er sich gegen den Euro aus und pocht auf die Wahrung polnischer Souveränität gegenüber Forderungen der Europäischen Union. Seine Kritik richtet sich auch gegen Deutschland, das er beschuldigt, Polen lediglich als preiswerte Produktionsstätte zu nutzen.

Ministerpräsident Donald Tusk gab sich bei Nawrockis Vereidigung zurückhaltend und warnte vor einem potenziellen Machtkampf zwischen der Regierung und dem Staatsoberhaupt. Nawrocki strebt eine verstärkte Rolle Polens als ostseitige Flankenschutzmacht der NATO an, doch könnte dies zu internen politischen Konfrontationen führen, die wichtige Reformen blockieren könnten.

Trotz einer moderat positiven Wachstumsprognose, steht Polen wirtschaftlich vor Herausforderungen. Die Arbeitslosenquote ist mit etwa 2,8 Prozent zwar gering, jedoch gibt es steigende Lohnkosten und einen zunehmenden Mangel an Fachkräften. Polen verzeichnet zudem einen demografischen Rückgang mit einer Bevölkerungsschrumpfung um über 120,000 Menschen im Jahr 2024 und einer Geburtenrate von lediglich 1,1 Kindern pro Frau. Viele junge Menschen ziehen ins Ausland, vor allem nach Deutschland, die Niederlande und Großbritannien, angezogen von besseren beruflichen Möglichkeiten und höheren Löhnen. Experten befürchten, dass bis 2035 über zwei Millionen Arbeitskräfte fehlen könnten.

Nawrocki plant, die Wirtschaft durch umfangreiche Infrastrukturprojekte zu stärken, darunter der Bau eines neuen Großflughafens bei Warschau und der Ausbau von Häfen. Er beabsichtigt außerdem, eine migrationskritische Politik zu verschärfen und soziale Leistungen vornehmlich für ethnische Polen zu sichern. Eine Verbesserung der Beziehungen zur EU strebt er nur unter der Bedingung an, dass Polen keine Befugnisse abgeben muss.

Mit dem nationalistischen Kurs Nawrockis könnte Polen nicht nur eine zunehmende internationale Isolation riskieren, sondern auch andauernde innenpolitische Spannungen erleben. Die Abwanderung junger Menschen, der Fachkräftemangel und der wirtschaftliche Druck könnten sich verschärfen, während die Beziehungen zu Berlin und Brüssel angespannt bleiben. Ein Machtkampf zwischen Regierung und Staatsoberhaupt um die Richtung Polens scheint unausweichlich.

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