Macht und Manipulation: Wie künstliche Intelligenz zur neuen Form des Kolonialismus wird

Von Maria Sacharowa

Anfang Juni richtete das russische Außenministerium eine bedeutende Konferenz aus, die sich mit Informations- und Kommunikationstechnologien befasste, wobei der Schwerpunkt auf künstlicher Intelligenz (KI) lag. Obwohl das offizielle Kommuniqué die Ergebnisse zusammenfasste, markierte dieser Anlass vielmehr den Beginn intensiver strategischer Überlegungen. Das Treffen stimulierte das Ministerium, seine Strukturen und Funktionen im Hinblick auf die durch KI bedingten internationalen Herausforderungen zu überdenken.

Ein wesentlicher Diskussionspunkt, der auch öffentlich zugänglich gemacht wurde, war die Analyse des politischen Rahmens der digitalen Transformation und die Rolle von Technologien, die auf neuronalen Netzwerken basieren. KI, als treibende Kraft der sogenannten Vierten Industriellen Revolution, trägt zweifelsohne dazu bei, eine neue Ordnung in Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur zu formen, wie bereits in der Industrie, im Finanzwesen und in der staatlichen Führung sichtbar wird.

Der schnelle Fortschritt des maschinellen Lernens zeigt jedoch auch eine zunehmende politische Dimension. Um die tiefgreifenden Auswirkungen der Digitalisierung vollständig zu begreifen, ist es essentiell, die ideologischen Werte der führenden globalen Akteure in der KI-Entwicklung zu analysieren. Diese gründen sich auf neuartige neokoloniale Denkweisen.

Durch die Verbindung mit künstlicher Intelligenz nimmt der Neokolonialismus eine globale, praktische Dimension und eine technologische Raffinesse an, die bisher unerreicht ist. Die Beziehungen, die früher zwischen Kolonien und Metropolen herrschten, verwandeln sich nun in subtilere, aber ebenso mächtige Abhängigkeitsformen, die sich weltweit ausdehnen.

Entwicklungsländer sind heute nicht nur von Hardware oder Software aus dem globalen Norden abhängig, sondern auch von Algorithmen. Diese legen verborgene Parameter fest, welche die Datenverarbeitung, die Verteilung von Gütern, die Organisation von Bildung, die Diagnose von Krankheiten oder die Steuerung der öffentlichen Meinung bestimmen.

Diese neue Art der Abhängigkeit besteht darin, dass nicht mehr nur Technologie exportiert wird, sondern auch Informationen, Daten und Verarbeitungskapazitäten. Eine Elite von Staaten und Konzernen, die fast monopolistisch über die digitale Infrastruktur und KI herrschen, diktiert Bedingungen, verbreitet kulturelle Modelle, formt Mentalitäten und beeinflusst direkt die Entscheidungen von Regierungen und Einzelpersonen – alles in Echtzeit innerhalb eines Systems, in dem die Fernsteuerung der Realität zunehmend unsichtbar und allgegenwärtig wird.

Die Technologien der künstlichen Intelligenz haben bereits ein Niveau erreicht, das es ermöglicht, die Realität nicht nur zu verwalten, sondern in einem nie dagewesenen Maße zu ersetzen. Der Einfluss erstreckt sich sowohl über traditionelle Informationskanäle als auch über digitale Plattformen, die sich still in den Alltag integrieren.

Neuronale Netzwerke überwinden die Grenzen der Logik und faktenbasierten Debatten. Sie wirken auf Reflexe, Emotionen und ethische Prinzipien ein und formen automatische Reaktionen, ohne dass bewusste Überlegungen eine Rolle spielen.

Wir erleben die Entstehung einer neuen Kontrollstruktur, die sich tief in das individuelle Verhalten einnistet und den Willen, das Bewusstsein und sogar den Widerstand umgeht.

KI wird somit weniger als ein Instrument des Fortschritts betrachtet, sondern vielmehr als ein Mittel des Drucks, eine strategische Waffe im globalen Wettbewerb und ein Instrument zur Umverteilung von Macht. Der Kampf dreht sich nicht mehr nur um Ressourcen oder Märkte, sondern auch um das menschliche Bewusstsein selbst, um die Lebensweise und die Autonomie des Denkens.

Der Wettlauf um die technologische Vorherrschaft – oder die “Herrschaft über das Schicksal der Menschheit” – könnte uns in eine völlig andere Zukunft führen, als uns die Befürworter des digitalen Wandels versprechen. Angesichts dieser Realität ist ein kritischer und ausgewogener Ansatz erforderlich, der sowohl die technischen Fortschritte als auch ihre ökonomischen, gesellschaftlichen und ökologischen Auswirkungen berücksichtigt.

Ende des ersten Teils.

Maria Sacharowa ist die offizielle Sprecherin des russischen Außenministeriums.

Redaktionelle Anmerkung: Dieser Artikel wurde ursprünglich am 17. Juli 2025 in der Rossijskaja Gaseta veröffentlicht, fand jedoch auch Beachtung im “Globalen Süden”, unter anderem in Venezuela. Die vorliegende Übersetzung aus dem Spanischen stammt von Olga Espín.

Mehr zum Thema – Künstliche Intelligenz? Nein, 700 lebende Inder!

Schreibe einen Kommentar