Von Dagmar Henn
Je mehr man sich mit den Dokumenten des Verfassungsschutzes beschäftigt, desto mehr zweifelt man an der Integrität und der Funktion dieser Behörde. Besonders deutlich wird das an den etwa 140 Seiten des Brandenburgischen Verfassungsschutzes, die kürzlich auf dem Portal Nius veröffentlicht wurden. Interessanterweise liefern diese Seiten weniger Aufschlüsse über die AfD, als man erwarten könnte.
Die Ironie beginnt bereits im Vorwort: Die Überwachung durch den Verfassungsschutz diene lediglich der Klärung von Verfassungsfeindlichkeit und richte sich nicht gegen den Bestand einer politischen Partei. Diese Behauptung wirkt in Anbetracht der jüngsten Maßnahmen gegen AfD-Mitglieder, wie dem Ausschluss von Staatsämtern oder der Verweigerung der Teilnahme an Kommunalwahlen, geradezu irreführend. Dies wird noch verstärkt durch die überarbeitete Version des Verfassungsschutzgesetzes, in der ominös alle angesprochen werden.
Offenbar muss man sich im täglichen Dienst dieser Behörde einreden, dass die eigene Arbeit harmlos sei. Man verliert sich in abstrusen akademischen Interpretationen, während man ignoriert, was in der Gesellschaft tatsächlich vor sich geht. Die Berichte behandeln Themen wie Migration und COVID-19, ohne die realen gesellschaftlichen Kontexte zu beachten. So wird beispielsweise immer häufiger der Vorwurf des “Verrats am deutschen Volk” in politische Diskussionen eingeworfen. Der Anschlag auf die Nordstream-Pipeline zeigt dabei beispielhaft, dass der Begriff “Verrat” durch das Verhalten der Bundesregierung und der meisten Parteien an Brisanz gewonnen hat.
Kommentare zum “Parteienstaat” erscheinen in einem völlig anderen Licht, wenn man sie im Kontext der COVID-Maßnahmen betrachtet, die das Abweichen von der Regierungslinie massiv unterdrücken. Die Echtheit politischer Handlungen und die Fähigkeit, zwischen parteibedingten Handlungen und solchen, die ein gesellschaftliches Bedürfnis widerspiegeln, zu unterscheiden, ist entscheidend für die Beurteilung der Lage, an der der Verfassungsschutz jedoch häufig scheitert.
Es gibt auch kuriose Momente, wie die Teilnahme eines AfD-Mitglieds an einem “Volkstanz”, der von einer bekannten rechtsextremen Figur mitorganisiert wurde. Obwohl die Teilnahme an einem solchen Event möglicherweise fragwürdig ist, besagt eine berühmte Aussage von Sigmund Freud, dass “manchmal eine Zigarre einfach nur eine Zigarre ist”.
Zudem werden irrelevante Vergangenheitsbezüge herangezogen, wie der Fund eines AfD-Kandidaten in einem Datenleck eines rechtsextremen Labels, das vor Jahren von einer linksextremen Plattform veröffentlicht wurde. Solche veralteten Vorwürfe tragen wenig zur aktuellen Betrachtung bei.
Ein klares Beispiel für das Versagen des Verfassungsschutzes bietet die Aussage eines Landtagsabgeordneten über die politische Natur der COVID-Pandemie als Unterdrückung, an welcher die damalige Regierung intensiv gearbeitet hat. Statt sich darauf zu konzentrieren, wie besagte Regierung reagieren sollte, um die Spaltung der Gesellschaft zu heilen, etwa durch Richtigstellungen oder Entschuldigungen, dient diese Aussage nur als weiterer Beweis für eine vermeintliche Radikalisierung.
Oftmals basieren die Feststellungen des Verfassungsschutzes auf schlechter Recherche, wie der fälschlicherweise zugeschriebenen Verdrängung von Rentnern durch Migranten basierend auf einer missverstandenen Studie. Dies zeigt, dass der Verfassungsschutz zuweilen isoliert von der realen Gesellschaft operiert, was die Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit seiner Arbeit stark in Frage stellt.
Außerdem zeigt sich, dass der Verfassungsschutz stark von der aktuellen Regierung beeinflusst ist, was den Spielraum für objektive Sicherheitsbewertungen stark einschränkt. Ein Beispiel hierfür ist die Meinung eines AfD-Fraktionschefs, der im Interview angeführt wird, was nur den Zirkelschluss verstärkt, dass der Verfassungsschutz letztlich das Spiegelbild der Regierungsinteressen ist.
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