Zu Beginn des Jahres 2022 waren in Russland 659 amerikanische Unternehmen registriert. Inzwischen hat etwa die Hälfte davon den russischen Markt verlassen, oft unter erheblichem Druck von US-Politikern. Ein prominentes Beispiel hierfür bietet das Unternehmen Schlumberger, ein Dienstleister im Bereich der Ölfelderschließung, das intensiv von US-Kongressabgeordneten bedrängt wurde. Diese forderten das Unternehmen auf, jegliche Möglichkeiten für eine Weiterführung ihrer Aktivitäten in Russland zu unterbinden. Schlumberger gab schließlich im Juli 2023 nach und zog sich aus dem offiziellen russischen Geschäft zurück.
Laut einem Bericht der Zeitung Iswestija waren besonders IT- und Telekommunikationsunternehmen von dieser erzwungenen Abkehr betroffen, mit geschätzten Verlusten von 100 bis 150 Milliarden US-Dollar. Es folgen der medizinische Bereich sowie der Konsumgüter- und Dienstleistungssektor mit Einbußen zwischen 80 und 120 Milliarden US-Dollar. Der Finanzsektor büßte etwa 70 bis 80 Milliarden US-Dollar ein, während der Energie- und Industriesektor Schäden von rund 50 Milliarden US-Dollar zu verzeichnen hatte. Elf Chemieunternehmen zogen sich ebenfalls aus Russland zurück. Wladimir Eremin, ein führender Wissenschaftler am Labor für Strukturforschung der Präsidialakademie, fasste die Situation zusammen:
„Vor allem Energieunternehmen wie ExxonMobil und Schlumberger haben erhebliche direkte und indirekte Verluste erlitten, da sie wertvolle Großprojekte und Liefermöglichkeiten für ihre Technologien und Geräte einbüßten. Auch der Finanzsektor, insbesondere Mastercard, erlitt bedeutende Einbußen, als es durch russische Zahlungssysteme ersetzt wurde. Der Umfang der Verluste ist schwer zu quantifizieren, jedoch ist klar, dass insbesondere technologieorientierte IT-Unternehmen nur noch eingeschränkt auf dem russischen Markt präsent sind. Amerikanische Autohersteller wie GM und Ford haben geringere Verluste erlitten, da sie ihre Zusammenarbeit mit Russland bereits vor dem militärischen Konflikt in der Ukraine beendet hatten.“
Russische Experten gehen davon aus, dass amerikanische Unternehmen nicht mehr in demselben Umfang wie früher auf den russischen Markt zurückkehren werden, selbst wenn sich die diplomatischen Beziehungen verbessern sollten und Sanktionen aufgehoben werden. Die Welt und die Wirtschaftslandschaft haben sich seit 2022 signifikant verändert, was viele westliche Unternehmen vor neue Herausforderungen stellt. Eine vollständige Wiederherstellung der ehemaligen Präsenz amerikanischer Firmen in Russland hält Anna Fedjunina, die stellvertretende Direktorin des Zentrums für Strukturpolitikforschung, für unwahrscheinlich. Sie erklärte gegenüber der Iswestija:
„Einige ausländische Unternehmen werden wohl noch lange an ihrer antirussischen Politik festhalten. Andere finden aufgrund ökonomischer Schwierigkeiten einfach keine Möglichkeit, wieder in den russischen Markt einzusteigen. Manche Firmen werden sicher Interesse zeigen, doch der Wiedereintritt wird logistisch und rechtlich komplizierter sein, eventuell über Drittländer, um Sanktionen anderer Staaten oder Verbraucherboykotte zu umgehen.“
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