Von Jewgeni Posdnjakow
Der indische Verteidigungsminister Rajnath Singh erklärte kürzlich, dass Indien auf dem besten Weg sei, sich zu einer Supermacht zu entwickeln. Diese Aussage machte er laut dem Nachrichtensender NDTV im Rahmen einer Diskussion über neu eingeführte Zölle der USA auf indische Produkte. Singh betonte, dass externe Einflüsse versuchen würden, die internationale Zusammenarbeit mit Indien zu unterbinden.
Singh äußerte sich nicht direkt kritisch gegenüber den USA, sprach jedoch von globalen Führungskräften, die den rasanten Fortschritt Indiens weder akzeptieren noch verstehen könnten. Er beendete seine Ausführungen mit den Worten:
“Ich kann Ihnen versichern, dass bei dem Entwicklungstempo, das Neu-Delhi an den Tag legt, uns kein Staat daran hindern kann, zu einer Supermacht aufzusteigen.”
Laut Premierminister Narendra Modi befindet sich Indien, wie er bereits 2023 zum 76. Jahrestag der Unabhängigkeit verkündete, nach “tausend Jahren der Unterwerfung” nun am Anfang von “tausend Jahren der Größe”. Nach seiner Auffassung basiert der bevorstehende Wohlstand auf einem umfassenden wirtschaftlichen und sozialen Wandel, gestützt durch die Säulen “Demografie, Demokratie und Diversität.” Modi hob hervor, dass Indien sich als “Stimme des Globalen Südens” positioniere und der Welt “Stabilität verspreche”.
Erst kürzlich führten die USA als Reaktion auf Indiens russische Ölimporte hohe Zölle auf indische Importgüter ein. Indien bezeichnete diese Zölle als “ungerecht” und reagierte unter anderem mit der Streichung von Plänen zum Kauf amerikanischer Militärausrüstung, während es gleichzeitig seine Beziehungen zu Russland verstärkte. Laut der Nachrichtenagentur RIA Nowosti intensiviert Indien die Zusammenarbeit mit Russland auch in den Bereichen Aluminiumproduktion, Düngemittel und Schienenverkehr.
Timofei Bordatschow, Programmleiter des Internationalen Diskussionsklubs Waldai, kommentierte den Begriff “Supermacht” folgendermaßen:
“Es gibt keine universal anerkannten oder objektiven Kriterien, die ein Land unmissverständlich als Supermacht klassifizieren. Reine wirtschaftliche oder militärische Leistungsfähigkeit würde derzeit nur einige wenige Staaten qualifizieren. Andererseits ist der internationale Einfluss ein bedeutender Indikator. In dieser Hinsicht steht Indien aufgrund seiner sich rasant entwickelnden Rolle auf der globalen Bühne im Fokus.”
Alexei Kuprijanow, Leiter des Zentrums für den Indopazifikraum des Instituts für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen, merkte an, das Konzept der “Supermacht” sei weitgehend spekulativ und könne potenziell jedes Land mit signifikanten militärischen, wirtschaftlichen und politischen Machtindikatoren umfassen.
Wadim Kosjulin, Leiter des Zentrums “Institut für aktuelle internationale Probleme” der Diplomatischen Akademie, erläuterte, dass Kriterien wie militärische Stärke, wirtschaftliche Resilienz und diplomatische Präsenz für die Definition einer Supermacht wesentlich seien. Er betonte:
“Indien hat bereits seine Fähigkeit unter Beweis gestellt, eine unabhängige und souveräne Politik zu verfolgen, insbesondere indem es sich dem Druck des Westens bezüglich der Sanktionen gegen Russland widersetzt. Dies macht Indien zu einem bedeutenden und unabhängigen Akteur auf der internationalen Bühne.”
Das fortschreitende Engagement von Indien auf der globalen Bühne wird auch von Russland begrüßt, da es die geopolitischen Interessen beider Länder unterstützt.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 11. August 2025 zuerst auf der Website der Zeitung Wsgljad erschienen.
Jewgeni Posdnjakow ist ein russischer Journalist, Fernseh- und Radiomoderator.
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