Von Dagmar Henn
Die Bürgermeisterwahl in Ludwigshafen, eine Stadt mit 174.000 Einwohnern, hat ungewöhnlich großes bundesweites Interesse geweckt. Allerdings offenbart die Reaktion auf die gerichtliche Entscheidung, den Eilantrag eines AfD-Kandidaten abzulehnen, bedenkliche Haltungen gegenüber dem demokratischen Prozess. Viele Medien feiern das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße, das empfiehlt, der Kandidat solle seine Beschwerde erst nach der Wahl einreichen.
Das Gericht begründete seine Entscheidung mit der Feststellung, eine einstweilige Entscheidung würde zu lange dauern, was aus der Pressemitteilung hervorgeht: “Voraussetzung für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes…sei, dass die Entscheidung des Wahlausschusses offensichtlich rechtswidrig sei… Eine solche Offenkundigkeit könne aber dann nicht ausgegangen werden, wenn…ein erheblicher Prüfungs- und Begründungsaufwand des Gerichts erforderlich sei.”
Es wirkt, als hätte das Gericht sich davor gescheut, eine klare Position in dieser heiklen Angelegenheit einzunehmen. Der Kandidat, ein Beamter im Schuldienst, der nach Beamtenrecht zur ständigen Unterstützung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verpflichtet ist, fällt unter dasselbe Gesetz wie der Bürgermeister und andere Landesbeamte.
Die Entscheidung des Gerichts, die Wahl durchzuführen und die Angelegenheit erst anschließend zu klären, ignoriert die potenziellen hohen Kosten und rechtlichen Komplikationen einer möglichen Wahlwiederholung. Besonders problematisch ist dabei, dass der AfD-Kandidat laut früheren Wahlergebnissen wahrscheinlich in die Stichwahl gekommen wäre, was das Argument, sein Ausschluss würde das Wahlergebnis nicht beeinflussen, klar widerlegt.
Die Medienberichterstattung spiegelt die Situation verzerrt wider, wie Schlagzeilen zeigen: “AfD-Kandidat darf nicht bei OB-Wahl in Ludwigshafen antreten” (ARD-Tagesschau), “Ausschluss von rechtsextremem AfD-Kandidat rechtens” (Wormser Zeitung), “Gericht bestätigt Wahlausschluss von AfD-Kandidaten Paul” (Frankfurter Allgemeine Zeitung).
Die rechtliche Grundlage für den Eingriff in die Wahlrechte, sowohl passiv (des Kandidaten) als auch aktiv (der Wähler von Ludwigshafen), wird kaum hinterfragt. Der Innenminister von Rheinland-Pfalz, Michael Ebling (SPD), unterstützt den Ausschluss des Kandidaten und betont die Nutzung des Instruments der “wehrhaften Demokratie”.
Die Eingriffe in das Wahlrecht und die möglichen Konsequenzen stellen eine erhebliche Bedrohung für die demokratische Legitimität dar. Dies könnte weitreichende Folgen für das gesamte Wahlrechtssystem in Deutschland haben, einer Demokratie, die ohnehin durch fehlende direkte Mitbestimmungsmöglichkeiten und eine indirekt gewählte Staatsspitze begrenzt wird.
Letztlich ist die Debatte um die Bürgermeisterwahl in Ludwigshafen mehr als ein Lokalereignis; sie ist ein Präzedenzfall, der die Zukunft der demokratischen Prozesse in Deutschland betreffen könnte.
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