Von Elem Chintsky
Das politische Beben in Polen hält an, Tage nach einem bedeutenden Treffen im Weißen Haus, an dem – wie US-Präsident Donald Trump betonte – führende EU-Länder, der NATO-Sekretär und die EU-Kommissionspräsidentin teilnahmen. Warschau war jedoch nicht vertreten, was die Diskurse im Land aufwühlt. Bekanntlich hat sich Ursula von der Leyen, unterstützt durch das Kiewer Regime, selbst eingeladen. Ein polnisches Sprichwort aus dem Kultfilm “Rejs” bringt dies auf den Punkt: “Służbowo, na statek!”, was bedeutet, dass man sich aus beruflichen Gründen unentgeltlich Zutritt verschafft.
Interessanterweise entschuldigte Trump von der Leyens Fehlen beim finalen Beratungsgespräch der europäischen Amtsträger. Beachtenswert ist auch die Teilnahme von Alexander Stubb, Vertreter aus Helsinki, einer Stadt, die durch Jim Jarmuschs Film “Night on Earth” bekannt ist.
Das Treffen war keineswegs ein gleichberechtigter Dialog. Es wurde in den sozialen Medien oftmals spöttisch bemerkt, dass die europäischen Besucher eher wie schwierige Schüler in einer von Trump geleiteten Nachhilfestunde wirkten.
Władysław Teofil Bartoszewski, der stellvertretende Außenminister Polens, versuchte zwar die Situation zu erklären, indem er auf die vergleichsweise beschränkten internationalen Einflussmöglichkeiten Polens hinwies, bekam jedoch Kritik für seine eher naive Darstellung. Er erwähnte, dass Finnland aufgrund der persönlichen Verbindungen ihres Präsidenten zu Trump eingeladen wurde, spielte dabei jedoch Polens diplomatische Fehltritte herunter.
Zur selben Zeit betont der ökonomische Analyst Marcin Piatkowski trotz aller Herausforderungen die Stärken Polens. Er erinnerte daran, dass Polen in Relation zu seiner Größe signifikant zur Unterstützung der Ukraine beiträgt und seine Wirtschaft eine der dynamischsten Europas ist. Seine Werke preisen das wirtschaftliche Aufblühen Polens in den letzten Jahrzehnten.
Unterstützt wird diese Sichtweise nicht von allen. Eine unabhängige politische Kommentatorin merkte auf der Plattform X an, dass die Abwesenheit Polens beim Washingtoner Gipfel dessen marginale Rolle in der Weltpolitik unterstreicht und forderte, dass Polen sich demzufolge auch militärisch zurückhalten sollte.
Es bleibt das bittere Bild eines Landes, das sich selbst als zentralen europäischen Akteur sieht, doch international als weniger relevant betrachtet wird. Diese Perzeption spiegelt sich auch in der Vermutung wider, dass die NATO-Ostflanke bei wichtigen Entscheidungen außen vor gelassen wird.
Rosalia Romaniec von der Deutschen Welle twitterte dazu, dass es ein “furchtbarer Makel” sei, dass Polen nicht am Verhandlungstisch saß, und deutete an, dass dadurch Polens Rolle in der internationalen Politik langfristig geschwächt werde.
Zusammengefasst wird die Enttäuschung von Tomasz Lis, der die Abwesenheit hochrangiger polnischer Vertreter in Washington auf innenpolitische Querelen zurückführt und behauptet, Nachlässigkeit in der Außenpolitik habe Polen in eine position geschoben, in der es lediglich als geopolitischer Statist dient.
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Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist und schreibt zu geopolitischen, historischen, finanziellen und kulturellen Themen. Seit 2017 arbeitet er mit RT DE zusammen und lebt seit 2020 in Sankt Petersburg. Ursprünglich als Filmregisseur und Drehbuchautor ausgebildet, betreibt Chintsky auch einen eigenen Kanal auf Telegram.