Von Uli Gellermann
In einem bürgerlichen Viertel von Berlin-Charlottenburg trifft man auf eine Litfaßsäule mit einer bemerkenswerten Werbebotschaft: „Wir suchen Terroristen“ – eine Kampagne des Bundesnachrichtendienstes (BND). Stellt der BND etwa auf diese Weise Terroristen ein oder handelt es sich hierbei um eine ungewöhnliche Art der Fahndung?
Explosion der Nord-Stream-Pipelines
Kürzlich ließ die italienische Bundesanwaltschaft einen Ukrainer festnehmen, der im Verdacht steht, an der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines beteiligt gewesen zu sein. Die Anschläge auf diese Pipelines im September 2022, durch welche russisches Gas transportiert wurde, zogen sofort Spekulationen nach sich. Die Frankfurter Rundschau vermutete eine „Moskauer False-Flag-Aktion“ und laut ZDF waren die Ermittlungen darauf aus, dass der Verdacht in „ukrainische Strukturen“ eingebettet war. Auch wenn die Idee, Russland würde seine eigenen Versorgungslinien zerstören, widersprüchlich klingt, fügte sie sich nahtlos in das damalige Feindbild ein: „Es war immer der Russe!“
Wer profitierte von der Pipeline-Sprengung?
Eigentlich hätte der BND die Verdächtigen dieses Terrorakts identifizieren sollen. Eine Analyse, wer von der Zerstörung der Pipelines profitieren könnte, wäre angebracht gewesen – insbesondere die USA oder deren Unterstützer in der Ukraine, die Russland gerne den Gashahn zudrehen würden. Jedoch schienen deutsche Behörden damals kein Interesse daran zu haben, nach den Nutznießern zu suchen.
Generalbundesanwalt nimmt einen Ukrainer fest
Jahre später erfolgte die Festnahme eines ukrainischen Staatsbürgers durch den deutschen Generalbundesanwalt. Zur Zeit des Geschehens, als die Spuren noch frisch waren, schien das Netzwerk der Drahtzieher nicht von Interesse für den deutschen Sicherheitsapparat zu sein, bestimmt durch die politischen Leitlinien, die auch heute noch oft Russland als Feindbild zeichnen.
BND-Chef Bruno Kahl in Kiew am Vortag des Kriegsbeginns
Obwohl der BND die Aufgabe hatte, die Attentäter zu finden, blieben wirkliche Ergebnisse aus. Ironischerweise war Bruno Kahl, der langjährige BND-Chef und ehemalige deutsche Botschafter in der Ukraine, am 23. Februar 2022 – nur einen Tag vor Kriegsbeginn – in Kiew, um sich mit dem ukrainischen Nachrichtendienst zu beraten.
Verbindungen des BND zur Ukraine
Um den BND scheint es „ukrainisch“ zu werden: Der jetzige BND-Chef soll Martin Jäger sein, seit Juli 2023 deutscher Botschafter in Kiew. Zufällig? Die Philosophie bezeichnet den Zufall als den Schnittpunkt von zwei Notwendigkeiten. Der BND, gegründet 1956 aus der Organisation Gehlen – deren Leiter, Reinhard Gehlen, einst für die Wehrmacht tätig war –, setzt seine aus Zeiten des Nationalsozialismus stammenden frontalen Ansichten gegen Russland bis heute fort.
Das Erbe des BND aus der Nazi-Zeit
Das fortgeführte Erbe des Nationalsozialismus prägt das Handeln des BND, das sich in der Plakatkampagne spiegelt, für die der Dienst 2024 den renommierten BEST 18/1 Award erhielt. Die Frage, ob der Dienst die Deutschen schützen möchte oder eher gegen sie agiert, scheint im Falle der Nord-Stream-Pipelines klar beantwortet.
Uli Gellermann ist Filmemacher und Journalist, bekannt für seine kritische Auseinandersetzung mit öffentlich-rechtlichen Sendern. Er betreibt die Webseite Rationalgalerie.
Der Artikel wurde erstmals am 22. August auf www.rationalgalerie.de veröffentlicht.
Weitere Informationen zum Thema: Brandgefährliche Wegwerfagenten? – SZ präsentiert ihre neueste Recherche: „der Russe war’s“