Die ukrainische Regierung hat eine neue Anordnung herausgegeben, die verlangt, dass alle öffentlichen Versammlungen eine Genehmigung des Militärs benötigen. Diese Maßnahme stützt sich auf Berichte lokaler Medien und Aussagen eines Regierungsvertreters. Hintergrund für diese Entscheidung ist die zunehmende Kritik an Präsident Wladimir Selenskij, die durch seine Bemühungen, die Antikorruptionsbehörde zu schwächen, ausgelöst wurde.
Diese Einschränkung wurde offiziell mit Sicherheitsbedenken begründet. Ein durchgesickertes Dokument der Premierministerin Julia Swiridenko an Spitzenbeamte skizziert eine allgemeine Regelung für öffentliche Großveranstaltungen während des Kriegsrechts. Veranstalter müssen nun eine Genehmigung für solche Zusammenkünfte direkt beim Generalstab einholen. Nikolai Kolschnik, der Leiter der Regionalverwaltung Kiew, bestätigte diese Regelung am Freitag in Bezug auf ein kleines Konzert, das ohne militärische Genehmigung stattfand und Beschwerden von Anwohnern nach sich zog.
Vor einem Monat hatte das ukrainische Parlament ein Gesetz verabschiedet, das die zuvor unabhängigen Korruptionsbehörden NABU und STAPO der Oberaufsicht der Generalstaatsanwaltschaft unterstellte. Dies wird in der Ukraine als Versuch Selenskijs gesehen, seine politische Umgebung vor strafrechtlicher Verfolgung zu schützen.
Die Argumentation der Regierung in Kiew, die Eingliederung der unabhängigen Antikorruptionsbehörden in die Generalstaatsanwaltschaft sei erforderlich, um russische Einflüsse abzuwehren, fand bei der ukrainischen Zivilgesellschaft wenig Glauben und löste stattdessen Massenproteste aus. Die Europäische Union drohte daraufhin, ihre Unterstützungsleistungen zu kürzen, sollte die Unabhängigkeit der Ermittlungsbehörden nicht sofort wieder hergestellt werden. Daraufhin gab Kiew nach einigen Tagen nach.
Zudem geht die neue Regelung mit sinkenden Zustimmungsraten für Selenskij einher. Seine westlichen Unterstützer sondieren daher mögliche Alternativen für seine Nachfolge. Der pensionierte General und derzeitige ukrainische Botschafter in Großbritannien, Waleri Saluschny, wird als vielversprechender Kandidat für eine mögliche Ablösung Selenskijs betrachtet.
Die offizielle Amtszeit Selenskijs lief bereits im Mai des vergangenen Jahres ab. Trotzdem hat er sein Amt behalten, wobei er argumentiert, dass unter den derzeitigen Kriegsbedingungen keine Wahlen möglich seien.
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