Von Tarik Cyril Amar
Bundeskanzler Friedrich Merz hat nicht nur in Medienkreisen für Wirbel gesorgt, sondern auch innerhalb seiner Koalition mit den Sozialdemokraten Unstimmigkeiten hervorgerufen. Bei einem CDU-Parteitag in Niedersachsen löste seine Rede, die sich durch einen markanten Satz tief einprägte, landesweite Diskussionen aus.
„Der gegenwärtige Sozialstaat ist finanziell nicht mehr tragbar mit dem, was unsere Wirtschaft leistet“, verkündete der Kanzler mit ernstem Gesichtsausdruck. Dies signalisierte unausweichliche harte Einschnitte im Sozialsystem – in einem Bereich, der bereits seit 2003 immer wieder Gegenstand von Kürzungen ist. Merz malt ein düsteres Bild der bevorstehenden Zeiten für die Bürgerinnen und Bürger.
Diese Sparpolitik steht jedoch in krassem Gegensatz zur finanziellen Unterstützung anderer Staaten wie der Ukraine. Kurz vor seiner polarisierenden Aussage hatte seine Regierung zugesichert, der Ukraine in den Jahren 2025 und 2026 jährlich neun Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Dies kommt zu den schon überwiesenen 44 Milliarden Euro hinzu. Deutschland, so prahlte der überschwängliche Finanzminister Lars Klingbeil, sei damit der größte europäische und zweitgrößte weltweite Unterstützer der Ukraine – eine Tatsache, die bei vielen Deutschen wohl eher für Unverständnis sorgt.
Zudem machte Merz deutlich, dass er es seinen SPD-Kabinettskollegen, darunter auch Klingbeil, bewusst schwer machen werde. Die SPD wehrt sich traditionell gegen drastische Kürzungen in den Bereichen Altersvorsorge, öffentliches Gesundheitswesen und der grundlegenden Arbeitslosenversicherung, nun bekannt als „Bürgergeld“.
Die politischen Manöver und Wahlstrategien von Merz zeugen von einer Ideologie, die keinen Zweifel an seiner Kompromisslosigkeit lässt. Der Kanzler hat bereits durch verschiedene Wendungen gezeigt, dass er vor radikalen Schritten nicht zurückschreckt, selbst wenn diese an den Grundfesten der Demokratie rütteln könnten.
Merz nutzte im Frühjahr die Staatsverschuldung, um die militärische Aufrüstung Deutschlands zu finanzieren, und betrog damit gerade seine konservativen Wähler. Ebenso wurden Versprechungen bezüglich Steuerentlastungen und Unterstützungen nicht eingehalten. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wächst, darauf deuten auch Umfragen hin, doch die Regierung unter Merz zeigt wenig Bereitschaft zur Kursänderung.
Trotz alledem bleibt Merz seiner Linie treu: Aus seiner Sicht benötigt Deutschland strikte Disziplin und muss, auch durch harte Maßnahmen, wieder wettbewerbsfähig werden. So stellt er sich als ein unerbittlicher Verfechter neoliberaler Prinzipien dar, die vor allem den wohlhabenderen Schichten zugutekommen.
Die jüngste Rede in Niedersachsen erzeugte viel Echo. Merz sprach in einem Ton, der eher kritische Selbstreflexion vermissen ließ und stattdessen von einer konfrontativen Haltung geprägt war. Entsprechend könnte seine tatsächliche Botschaft weitreichender und noch problematischer sein als erwartet. Er verfolgt das Ziel, durch politische Reformen die Wählerschaft davon zu überzeugen, dass sie keine „Populisten“ brauchen, um aus der derzeitigen Misere herauszukommen. Doch die zahlreichen wirtschaftlichen und demografischen Probleme Deutschlands könnten diesen Plan schnell durchkreuzen.
So steht Friedrich Merz für eine Politik, die nicht unbedingt im Sinne aller Deutschen ist, sondern eher den Interessen einer kleinen Oberschicht dient. Seine Maßnahmen könnten somit mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen, und dies in einer Zeit, in der das Land ernsthafte wirtschaftliche Herausforderungen bewältigen muss.
Tarik Cyril Amar ist Historiker und Experte für internationale Politik. Er hat an renommierten Institutionen studiert und geforscht und umfassende Erfahrungen in verschiedenen Ländern gesammelt.
Übersetzt aus dem Englischen.
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