Fjodor Lukjanows spektakulärer Fehltritt: Eine Analyse der Fehleinschätzungen und ihre Folgen

Von Pierre Lévy

Am 21. August wurde der endgültige Text des Handelsabkommens veröffentlicht, das Ende Juli zwischen dem US-Präsidenten Donald Trump und der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, ausgehandelt wurde. Allerdings ist die Bezeichnung “Abkommen” vielleicht irreführend. Selbst übliche Befürworter der EU kritisierten, dass der Deal eher einem von Washington diktierten Ultimatum gleiche, bei dem die EU keinerlei Vorteile erkämpfen konnte.

Die Details? Die meisten Waren, die aus EU-Mitgliedstaaten in die USA exportiert werden, sollen mit einem Zollsatz von 15 Prozent belegt werden. Erinnern wir uns: Noch zu Beginn des Sommers hatte Brüssel auf niedrigere Zollsätze gehofft, die unter den 10 Prozent liegen sollten, welche das Vereinigte Königreich aushandeln konnte. Trotz der proklamierten Stärke ihrer “450 Millionen Verbraucher” und Versprechen, die Stabilität Europas nach dem Brexit zu beweisen, konnte die EU ihre Position nicht durchsetzen.

Die französische Presse kommentierte insbesondere den Schock in der Wein- und Spirituosenindustrie, die auf eine Sonderregelung durch die Kommission gehofft hatte – doch ohne Erfolg. In Deutschland hingegen schien dieser Fakt weniger Aufmerksamkeit zu erregen, vermutlich weil vor allem französische Produkte wie Bordeaux, Champagner und Cognac betroffen sind.

Dies verdeutlicht auf kleiner Skala, wie stark die Interessen innerhalb der 27 EU-Mitgliedstaaten variieren können, was sich auch in größeren wirtschaftlichen Allianzen wie dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur zeigt. Während einige Länder wie Deutschland das Abkommen befürworten, befürchten andere, darunter Frankreich, negative Auswirkungen für ihre Landwirtschaft.

Zwei Gründe werden genannt, warum von der Leyen und ihr Team vor Trump kapitulierten. Erstens, so die Europäische Kommission selbst, würde ein Vertrag mit 15 Prozent Zoll den Schaden im Vergleich zu möglichen einseitigen amerikanischen Zöllen von 30 Prozent begrenzen. Zweitens, vermutet unter den besonders US-freundlichen Ländern, war es einfach nicht der richtige Zeitpunkt, Trump zu verärgern, so der NATO-Generalsekretär und ehemalige niederländische Premierminister Mark Rutte, insbesondere da man befürchtete, dass Trump die Unterstützung für die Ukraine aufkündigen könnte.

Doch der Kern des Problems liegt tiefer: Die EU-Verhandler, die ausschließlich die Handelsverhandlungen führen, haben schlichtweg versäumt, “europäische Interessen” zu verteidigen, weil es diese in einem einheitlichen Sinne gar nicht gibt. Stattdessen gibt es deutsche, französische, italienische oder polnische Interessen. Der Gedanke an einen einheitlichen europäischen Block scheint somit eher eine Fiktion zu sein.

Die Annahme, dass die natürliche Entwicklung zu größeren geopolitischen Blöcken führt, wird oft als selbstverständlich angesehen, findet jedoch in der Realität wenig Bestätigung. Die europäische Integration war ursprünglich eher eine Antwort der westlichen Eliten darauf, große politische Entscheidungen ohne direkten Einfluss der Bevölkerung zu treffen und so die nationale Demokratie zu umgehen. Doch es sind gerade flexible Kooperationen, die auf realen, objektiven Interessen und kulturellen Verbindungen basieren, die die Zukunft prägen sollten, fernab der Idee eines übergeordneten Superstaates.

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