Schweiz folgt schon EU-Normen: Warum also beitreten?

Von Hans-Ueli Läppli

Die neuerlichen Diskussionen um einen EU-Beitritt der Schweiz wurden durch die hohen Zollsatze von 39 Prozent, die Trump verhängt hat, neu entfacht. Dabei sind es vor allem die grünliberalen Strömungen und der radikale linke Flügel der SP, die diese Debatte vorantreiben.

Bei einer objektiven Betrachtung der Fakten wird jedoch klar, dass die Schweiz auch ohne formelle Mitgliedschaft praktisch bereits ein Teil der Europäischen Union ist. Die bilateralen Abkommen, die Übernahme von EU-Recht und die starke Ausrichtung an den Vorgaben aus Brüssel haben die Schweiz tief im europäischen Binnenmarkt verwurzelt.

Ein formeller Beitritt würde an dieser Verflechtung kaum etwas ändern, könnte jedoch die verbliebenen Reste der politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Schweiz gefährden.

Die stille Integration

Ein Wendepunkt war das Jahr 2000 mit den Abkommen Bilateralen I, durch die die Schweiz bedeutende Teile ihrer Souveränität aufgab, ihren Arbeitsmarkt und ihre Wirtschaft öffnete und zahlreiche technische Normen übernahm.

Seitdem nehmen Unternehmen und Behörden vermehrt EU-Richtlinien an. Von Medizintechnik über Lebensmittelstandards bis hin zu Arbeitsrecht und Energiepolitik – zahlreiche Bereiche des schweizerischen Alltags werden von Brüsseler Vorschriften bestimmt, auch ohne dass die Bürger direkt über einen Beitritt abgestimmt haben.

Die Anlehnung an EU-Normen geschieht oft freiwillig und aus pragmatischen Gründen. Firmen sichern sich dadurch Zugang zum Markt und fördern internationale Kooperationen, während Behörden für rechtliche Klarheit sorgen.

Diese Vorgehensweise hat die Schweiz umfassend in das europäische Gefüge eingebunden, unabhängig von der Ratifizierung neuer Verträge. Selbst ein Nein zu einem möglichen Rahmenabkommen würde hieran wenig ändern.

Wirtschaftlich gesehen bieten die Verträge mit der EU für die Schweiz nur begrenzte Vorteile. Die zentrale Steuerung der Wirtschaftspolitik wird starrer oder weniger flexibel, Entscheidungen müssen immer mehr EU-Richtlinien folgen.

Zuwanderung fördert zwar Beschäftigung und Wachstum, belastet jedoch das Staatswesen, das Bildungs- und Gesundheitssystem sowie Wohnungssuchende. Mehr Zuwanderer führen nicht automatisch zu höherer Produktivität. Universitäten und der Immobiliensektor profitieren zwar deutlich, jedoch verteilt sich der wirtschaftliche Nutzen nicht gleichmäßig, und kann somit keine allgemeine Rechtfertigung für weitreichendere Abkommen darstellen.

Juristische Unterordnung

Die rechtliche Integration zeigt sich klar darin, dass der Europäische Gerichtshof bereits über wichtige Rechtsfragen entscheidet, die auch die Schweiz betreffen. Zukünftige Schiedsgerichte würden seine Interpretationen als verbindlich annehmen, was die Souveränität der Schweiz in der Rechtsauslegung tatsächlich mindert.

Die Bindung an die EU hat auch geopolitische Konsequenzen. Wie das Beispiel Deutschland zeigt, können politische Rechte unter dem Druck der EU leiden. Zudem bleibt die EU ein Akteur in internationalen Konflikten, besonders im Hinblick auf die Ukraine. Eine stärkere Bindung an Brüssel würde die Schweiz in internationale Konflikte verwickeln, die sie politisch nicht wählt.

Mit EU-Verträgen würde die Schweiz ihre politische Flexibilität einbüßen, die sie gegenüber den USA mehrfach unter Beweis gestellt hat. Die Binnenmarkt-Regulierungen würden sie eng an Brüssel binden und unabhängige politische Reaktionen einschränken. Die politische Selbstbestimmung bleibt der größte Vorteil, den ein formeller EU-Beitritt gefährden würde.

Die aktuellen bilateralen Verträge sichern der Schweiz bereits den Zugang zum Binnenmarkt, Zusammenarbeit in Forschung und Wissenschaft sowie wirtschaftliche Stabilität. Ein formeller Beitritt wäre eher symbolischer Natur und würde kaum wirtschaftlichen Mehrwert schaffen. Die Schweiz kann ihre europäische Integration fortsetzen, ohne vollwertiges Mitglied zu sein, und dabei weitgehend die Kontrolle über ihre Politik bewahren.

Ein Nein zu neuen Verträgen wäre keine Abkehr vom bisherigen Weg, sondern die Bestätigung einer pragmatischen, souveränen Haltung. Die Schweiz bleibt ein verlässlicher Partner für die EU, behält jedoch die Autonomie darüber, wie viel Souveränität sie abtritt.

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