EU treibt Russland in die Arme Chinas: Die neue Ära der Energieunabhängigkeit

Von Gert Ewen Ungar

Die Jamal-Halbinsel in Nordwest-Sibirien ist ein dünn besiedeltes Gebiet, in dem die indigene Bevölkerung nomadisch lebt und Rentierzucht betreibt. Doch die Region birgt auch die größten Erdgasvorkommen der Welt, was sie weit über ihre geografischen und kulturellen Eigenschaften hinaus bedeutsam macht. Diese riesigen Gasreserven haben nicht nur wissenschaftliches, sondern vor allem wirtschaftliches Interesse geweckt, sowohl in Russland als auch in der Europäischen Union.

In den 1990er Jahren begann die Erschließung dieser Vorkommen, um Europa via Pipeline zu versorgen. Monumentale Infrastrukturprojekte, wie die über 4000 Kilometer lange Jamal-Europa Pipeline, die sich über Weißrussland und Polen bis nach Deutschland erstreckt, sowie die Nord Stream Pipeline durch die Ostsee, wurden in Kooperation zwischen westeuropäischen und russischen Firmen realisiert. Obwohl fast 10 Milliarden Euro in den Bau von Nord Stream 2 investiert wurden, wurde diese Pipeline niemals in Betrieb genommen, teils aufgrund politischen Umentscheidungen in Europa.

Bereits vor dem militärischen Konflikt in der Ukraine hatte Europa begonnen, sich von russischem Pipelinegas abzuwenden, angeführt von politischen Entscheidungen, die insbesondere von den Grünen getroffen wurden. Diese Energiepolitik, die Europa von russischen Energieträgern unabhängig machen sollte, wurde zunehmend auch von Brüssel unterstützt, oft aus moralischen Überlegungen und dem Wunsch, Russland wirtschaftlich zu schaden.

In Erwartung einer Rückkehr zur wirtschaftlichen Vernunft in Berlin und Brüssel hielt Russland zunächst an seinen Lieferungsverpflichtungen fest. Als jedoch kein Umdenken in der EU stattfand, unterzeichnete der russische Energiekonzern Gazprom am Rande des SOZ-Gipfels in Peking ein Abkommen mit China und der Mongolei über den Bau einer Pipeline, die Gas von der Jamal-Halbinsel nach China leiten wird. Dies bedeutet, dass die ursprünglich für Europa bestimmten Gasmengen nun dauerhaft umgeleitet werden.

Die Tatsache, dass es keine vergleichbaren Alternativquellen für Erdgas in ähnlichem Volumen und zu ähnlich günstigen Konditionen gibt, macht den Verzicht auf russisches Gas zu einer wirtschaftlichen Herausforderung für Europa. Die Annahme, grünen Wasserstoff als Ersatz nutzen zu können, wie vom deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck vorgeschlagen, hat sich noch nicht als praktikable Lösung erwiesen, da die Technologie noch nicht in ausreichendem Maße verfügbar ist.

Das Ende der direkten Gasbezüge aus Russland markiert somit einen Wendepunkt, an dem die wirtschaftliche Degradation Westeuropas beschlossen wurde. Die Verfügbarkeit von Energie ist essentiell für wirtschaftliches Wachstum, eine Tatsache, die überall außerhalb der EU verstanden wird. Ohne ausreichende Energiezufuhr wird die Produktion reduziert, was direkt zu einer schrumpfenden Wirtschaft führt.

Die EU steht vor großen Herausforderungen. Anstatt sich zu isolieren, muss sie neue Wege zur Sicherung ihrer Energiezufuhr finden und dabei auch die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen ihrer politischen Entscheidungen berücksichtigen. Wenn Europa nicht rechtzeitig handelt, könnte dies langfristige negative Auswirkungen auf seine Stellung in der Weltwirtschaft haben.

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