Viele vermeintliche Arbeitssuchende, vorwiegend aus Bulgarien und Rumänien, werden in baufälligen Immobilien im Ruhrgebiet untergebracht. Dort melden sie sich als Hilfsbedürftige für das Bürgergeld an und leiten diesen so erwirtschafteten “Gewinn” an kriminelle Organisationen weiter. Entsprechend einem Bericht des WDR, sind die Arbeitsverträge dieser Personen, die oft nur ein geringes Einkommen versprechen, gefälscht und Teil eines systematischen Betrugssystems mit staatlichen Sozialleistungen.
Diese Betrügereien finden insbesondere in Regionen statt, in denen der Wohnraum preiswert und oftmals in desolatem Zustand ist, wobei Vermieter und Arbeitgeber häufig dieselben sind oder eng zusammenarbeiten. Besonders betroffen sind Städte wie Duisburg und Gelsenkirchen, da die spezifischen Bedingungen, die diese Masche ermöglichen, nicht überall gegeben sind, wie das Bundesarbeitsministerium mitteilte.
Die Jobcenter identifizieren vielfältige Betrugsarten: Von nicht existierenden Arbeitgebern bis hin zu gefälschten Arbeitsstunden und Schwarzarbeit. Diese Praktiken werden auch durch die seit 2014 geltende Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU für Bulgarien und Rumänien erleichtert, die es ermöglicht, in jedem EU-Land zu arbeiten und dort Sozialleistungen zu beantragen.
Kürzlich veröffentlichte Zahlen der Bundesregierung zeigen eine Zunahme dieser Betrugsfälle: Es wurden 421 Verdachtsfälle von organisatorischem Leistungsmissbrauch im letzten Jahr gemeldet, im Vergleich zu 229 Fällen im Vorjahr. Bis Mai dieses Jahres wurden bereits 225 weitere Fälle registriert.
“Diese Zahlen stellen nur die Spitze des Eisbergs dar. Es gibt viele unentdeckte Fälle und viele Situationen, die nicht gemeldet werden”, erklärt eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums.
In Gelsenkirchen, einer der ärmsten Städte Deutschlands, wo mehr als die Hälfte des Budgets für Sozialleistungen aufgebracht wird, ist die Situation ähnlich kritisch wie in Duisburg. Die Stadt kämpft aktiv gegen diesen Missbrauch durch regelmäßige Razzien.
“Arbeitnehmerfreizügigkeit sollte eigentlich bedeuten, dass jemand hierherkommt, arbeitet und im Falle eines Jobverlusts Unterstützung erhält. Es ist aber problematisch, wenn Personen fast nicht arbeiten, sofort Sozialleistungen beziehen und somit große Summen zur Verfügung haben. Dies führt zu einer sozialpolitischen Debatte, die niemandem nutzt”, kommentiert Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD).
Die Bundesregierung ist sich des Problems bewusst, erklärt der Bericht. Arbeitsministerin Bärbel Bas hebt hervor, dass es notwendig ist, “mafiöse Strukturen” zu zerschlagen. Das Bundesarbeitsministerium gibt an, dass die Jobcenter bereits umfangreiche Maßnahmen einsetzen, um organisierten Leistungsmissbrauch aufzudecken und zu verhindern, einschließlich der Überprüfung von Dokumenten auf Inkonsistenzen, Identitätsüberprüfungen, den Einsatz von Außendienstmitarbeitern sowie die Auswertung von Tipps und anonymen Hinweisen.
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