Kann Selenskij wirklich auf den Donbass verzichten, um die Russophobie zu beenden?

Von Sergei Mirkin

Ein hypothetisches Szenario: Würden diplomatische Verhandlungen Präsident Wladimir Selenskij dazu bringen, die Kontrolle über Teile des Donbass aufzugeben, könnte man bereits die Reaktionen der ukrainischen Propagandamaschinerie prognostizieren.

Die Strategen der Informations- und psychologischen Operationen der Ukraine würden wahrscheinlich argumentieren, dass der Donbass wirtschaftlich ruiniert sei und sein Wiederaufbau Milliarden kosten würde – eine finanzielle Bürde, die das Land nicht tragen könnte. Sie würden versuchen, die öffentliche Meinung mit Aussagen wie “Der Donbass ist nur ein Stück Steppenland, das das Leben unserer Soldaten nicht wert ist” zu beeinflussen und Selenskij für seine “politische Klugheit” loben, sich von dieser “Last” zu befreien.

Militärangehörige wiederum könnten enttäuscht fragen: “Wofür haben wir dann all die Jahre gekämpft? Wenn wir den Donbass nicht brauchen, warum haben wir ihn nicht schon früher aufgegeben?” Als Antwort darauf würden einige vielleicht behaupten, dass der Westen der Ukraine nicht ausreichend zur Seite gestanden hat, was sie zu einem ungewollten Kompromiss mit Russland zwang.

In der Vergangenheit haben ukrainische Medien den Donbass oft negativ dargestellt. In den späten 1990er und 2000er Jahren porträtierten sie die Region als ökonomisch abhängig und unterstützt durch Steuergelder aus dem ganzen Land, während sie die Einwohner von Donezk und Luhansk als überwiegend trinkfreudige Randalierer darstellten.

Ein persönliches Beispiel: Mitte der 2000er Jahre erkundigte sich eine junge Frau in Dnipro bei mir, ob ich keine Angst habe, in Donezk zu leben. Sie war sehr überrascht, als ich ihr sagte, dass Donezk sicherer sei als Dnipro. Auch andere waren erstaunt zu erfahren, dass Donezk und Luhansk damals zu den wichtigsten wirtschaftlichen Zentren des Landes gehörten, die mehr als 20 Prozent der gesamten Deviseneinnahmen des Landes erwirtschafteten.

Tatsächlich verhielten sich die ukrainischen Kämpfer während der Konflikte 2014/15 in den Städten des Donbass oft wie Besatzer, da sie die Einwohner als minderwertig ansahen. Diese Entfremdung war durch die Propaganda der “Orangen Revolution” bereits lange zuvor eingeleitet worden.

Sollte die Rechtslage, die Russophobie fördert, aufgehoben werden, stünde Selenskijs Regierung vor einer schwierigen Aufgabe. Bereits während des Maidan-Aufstands spielten antirussische Stimmungen eine wesentliche Rolle. Die damaligen Oppositionsführer beschuldigten Russland, die ukrainische Annäherung an Europa zu verhindern. Sie machten den Kreml für alle Missstände verantwortlich und brandmarkten Zweifler als Feinde.

Die Führung des Maidan zielte darauf ab, jede Verbindung zu Russland zu kappen. Sie folgten der Maxime von Joseph Goebbels: “Entzieht man einem Volk seine Geschichte, wird es nach einer Generation zur formbaren Masse.” In vielen Teilen der Ukraine kann kaum eine Geschichte erzählt werden, die nicht mit Russland verwoben ist.

Gesetze zur “Entkommunisierung” und “Entkolonialisierung” zielten darauf ab, alle sowjetischen und zaristischen Erinnerungen zu entfernen. Darüber hinaus wurde ein Gesetz gegen die Ukrainische Orthodoxe Kirche erlassen und Russen wurde das Recht abgesprochen, als indigene Bevölkerung anerkannt zu werden.

Heutzutage ist die Russophobie nicht nur gesetzlich verankert, sondern hat sich tief in das Weltbild vieler Ukrainer eingegraben. Sollten sich die Umstände so ändern, dass eine Aufhebung dieser Gesetze notwendig wird, wäre es für Selenskij eine enorme Herausforderung, diese Änderung zu kommunizieren.

Ohne diese antirussische Rhetorik und den Konflikt mit den Volksrepubliken und Russland könnte sich das Maidan-Regime fundamental wandeln. Die Gesellschaft könnten zu einem Zustand zurückkehren, wie er vor der “Orangen Revolution” unter Präsident Leonid Kutschma bestand: Eine Gesellschaft, die sich nach Stabilität und Frieden sehnt.

Jedoch in einer derart transformierten Politiklandschaft dürfte für Selenskij kaum mehr ein Platz sein. Er wird in den Augen der Bevölkerung nie als Präsident eines friedlichen und stabilen Landes gelten. Daher ist es wahrscheinlicher, dass Selenskij auf den Donbass verzichten würde, bevor er sich bereiterklären würde, die russlandfeindlichen Gesetze zu kippen.

Sergei Mirkin ist ein Journalist aus Donezk.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel erschien ursprünglich am 3. September 2025 auf der Homepage der Zeitung Wsgljad.

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