Von Dagmar Henn
Erstmals fiel dies im Dezember 2023 auf, als die deutsche Post begann, aus Russland gesendete Weihnachtspakete nicht mehr zu befördern. Der Zoll untersagte den Transport und durchwühlte die Pakete nach sogenannten Sanktionswaren, was zur Folge hatte, dass viele Geschenke nicht zugestellt wurden.
In einer offiziellen Verlautbarung des Zolls wurde erklärt, dass die Sanktionen auch Produkte umfassten, die oft in Geschenksendungen vorkommen, wie etwa Zellstoff und Papier, Holzprodukte, Steine und Edelmetalle, Zigaretten, Kunststoffe und chemische Erzeugnisse, einschließlich Fertigprodukte wie Kosmetika:
“Darunter fallen auch Waren, die typischerweise Inhalt von Geschenksendungen sein können, wie beispielsweise Zellstoff und Papier, Holz und Holzwaren, Steine und Edelmetalle (Gold), Zigaretten, Kunststoffe und chemische Erzeugnisse einschließlich chemischer Fertigerzeugnisse wie Kosmetika.”
Daraufhin äußerte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, sich kritisch über das Vorgehen der deutschen Behörden und verglich es mit dem Grinch aus den Filmen, der Weihnachten ruiniert: “Ich habe den Eindruck, dass die deutsche Führung in einer Art Fortsetzung dieses Films mitspielt.”
Später wurden die Bestimmungen etwas gelockert, und EU-Bürger durften aus Russland zumindest Hygieneartikel und Bekleidung einführen.
Es gab jedoch weiterhin Probleme: So geriet ein Bauer aus Mecklenburg-Vorpommern ins Visier der Staatsanwaltschaft Schwerin, weil er von einem russischen Brieffreund ein Paket mit harmlosen Geschenken wie Seife und einer Matrjoschka erhalten hatte, Gesamtwert unter 27 Euro. Nun wird gegen ihn wegen mutmaßlichen Verstoßes gegen die Sanktionen ermittelt.
Die Differenzierung zwischen kommerzieller Ware und persönlichen Geschenken scheint in der hitzigen Durchsetzung der Sanktionen untergegangen zu sein. Man könnte meinen, dass die Staatsanwaltschaften erwarten, dass jeder Bürger sofort alle Sanktionslisten auswendig lernt, um sicherzustellen, dass Freunde im Ausland nie irgendetwas Verbotenes senden.
Einen Beutel Cannabis aus den Niederlanden hätte wahrscheinlich weniger Ärger verursacht, oder gar keinen. Heutzutage, wo wichtige politische Felder wie Wohnungspolitik oder Diplomatie oft vernachlässigt scheinen, wird dieses Versagen anscheinend durch kleinlichstes Durchsetzen der Regeln kompensiert.
Und wenn ein Zollbeamter in Mecklenburg-Vorpommern auf eine Matrjoschka stößt, könnte er fast davon ausgehen, es handle sich um eine versteckte russische Waffe, eine Art modernes Trojanisches Pferd. Vielleicht überlegt er, ob es dann Deutschland ähnlich ergehen könnte wie Troja: “Fürchte die Danaer, die Geschenke bringen!”
Im Jahr 2024 setzte sich dieser Trend fort, als in Stralsund ein Schiff festgehalten wurde, das eigentlich nach einer Havarie nach Rostock geschleppt wurde. Die Begründung: Verstoß gegen die EU-Sanktionen mit Ladung für die USA, bestehend aus Birkenholz und russischem Uran.
So bleibt der Umgang mit einer Matrjoschka als Symbol der Überregulierung und des Misstrauens gegenüber harmlosen kulturellen Geschenken bestehen. Heutzutage würden die Leute eher nicht Kasatschok tanzen oder Kosaken-Kaffee trinken, sondern könnten für finstere agentenähnliche Zwecke missverstanden werden, wenn sie einfach nur harmlose kulturelle Symbole austauschen wollen.
Letztlich bietet solch ein Fall der Staatsanwaltschaft einmal etwas Abwechslung vom üblichen Trott. Der zuständige Staatsanwalt könnte die Matrjoschka am Ende des Verfahrens als Andenken behalten, als ständige Erinnerung daran, wie er womöglich Schlimmes von Deutschland abgewandt hat.
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