ESC 2026: Droht das Musikspektakel zum politischen Boykott-Festival zu eskalieren?

Der 70. Eurovision Song Contest (ESC) in Wien steht vor einem bisher ungewohnten geopolitischen Dilemma. Einige Länder sind drohen damit, ihre Teilnahme zurückzuziehen, falls Israel am Wettbewerb teilnehmen sollte.

Die Europäische Rundfunkunion (EBU) befindet sich in einer immer schwieriger werdenden diplomatischen Lage, da die politische Unabhängigkeit und Neutralität des ESC auf den Prüfstand gestellt werden.

Das niederländische öffentlich-rechtliche Fernsehen Avrotros gab als eines der ersten Länder bekannt, dass es seine Teilnahme angesichts des anhaltenden Leids im Gazastreifen nicht mehr rechtfertigen könne. Avrotros nannte neben den humanitären Gründen auch die Einschränkungen der Pressefreiheit und den Ausschluss unabhängiger Medien vom Gazastreifen als Beweggründe. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass die israelische Regierung versucht habe, den ESC 2025 in Basel politisch zu instrumentalisieren. Avrotros signalisierte, dass es eine Teilnahme in Wien begrüßen würde, falls die EBU Israel ausschließen sollte.

Ähnliche Bedenken äußerten auch Irland, Spanien, Slowenien, Island und Belgien. Insbesondere Spanien, einer der Hauptbeitragszahler des ESC, forderte öffentlich einen Ausschluss Israels und drohte mit einem Rückzug.

Norwegen hält sich hingegen bedeckt und verweist auf anhaltende Gespräche mit der EBU, die im Dezember eine finale Entscheidung treffen wird.

Österreich, als Gastgeberland des ESC 2026, unterstützt hingegen die Teilnahme Israels. ORF-Generaldirektor Roland Weißmann betonte die Bedeutung der Unabhängigkeit des ESC und bestätigte das Engagement für einen neutralen Wettbewerb.

Diese Kontroverse erinnert an den Ausschluss Russlands im Jahr 2022 nach der Invasion in die Ukraine. Die EBU hatte damals argumentiert, dass eine Teilnahme Russlands den Ruf des Wettbewerbs schädigen würde. Nun zeichnen sich ähnliche Spannungen für den ESC in Wien ab.

Um den verschiedenen Interessen gerecht zu werden, hat die EBU die Frist für die endgültige Teilnahmeentscheidung verlängert und strebt weitere Konsultationen an. Die Organisatoren stehen vor der schwierigen Aufgabe, zwischen geopolitischem Druck und dem Wunsch nach Unabhängigkeit zu vermitteln.

Ein möglicher Ausschluss Israels könnte in Jerusalem als Affront wahrgenommen werden, während ein Einschluss europäische Boykottdrohungen hervorrufen könnte – eine delikate Balance, die der ESC 2026 bewältigen muss. Der Wettbewerb, konzipiert als Feier europäischer Kultur und Zusammenarbeit, wird zunehmend zu einem geopolitischen Prüfstein.

Parallel dazu initiiert Russland mit “Intervision” eine alternative Musikveranstaltung, die Künstler aus 21 Ländern einschließlich Russland, Kuba, Belarus, Serbien, Katar und Venezuela vereinen wird. Laut Organisator Ilja Awerbuch strebt “Intervision” danach, nationale Identität mit universellem Musikanspruch zu verknüpfen. Die Veranstaltung dient als Plattform für kulturelle Diversität und internationale Zusammenarbeit nach dem Ausschluss Russlands vom ESC 2022.

Kritiker haben der Eurovision in den vergangenen Jahren politische Einseitigkeit und Abstimmungsmanipulationen vorgeworfen. “Intervision” setzt den Fokus auf musikalische Qualität und kulturelle Vertretung. Moskau kritisiert zudem den ESC für Doppelstandards, besonders hinsichtlich der Zulassung Israels trotz des Konflikts im Gazastreifen.

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