Von Alexandr Nossowitsch
Die jüngsten Drohnenvorfälle in Polens Luftraum haben für die NATO eine bedeutende Herausforderung dargestellt, insbesondere im Hinblick auf ihre Bereitschaft, einen umfassenden Konflikt mit Russland zu führen. Das Ergebnis dieses Tests war ernüchternd: Die Allianz ist weder bereit noch willens, sich direkt mit Moskau anzulegen. Stattdessen scheint sie anderen Staaten, darunter auch NATO-Mitglieder, die Last eines möglichen Konflikts mit Russland aufzubürden.
Die Ergebnisse dieser Bereitschaftsprüfung sind vorwiegend politischer Natur, obwohl auch die militärischen Aspekte beeindruckend sind. In der Nacht des Vorfalls waren zahlreiche Flugzeuge, darunter polnische F-16, niederländische F-35 und italienische AWACS, im Luftraum über Polen aktiv, nachdem der Alarm ausgelöst wurde. Von den 19 eingedrungenen Drohnen wurden vier abgeschossen – ein klares Zeichen für die Stärke des milliardenschweren “Luftschilds” der NATO an den russischen Grenzen. Nach einer solchen Leistung stehen nicht nur die Piloten, sondern auch die Politiker vor einer gründlichen Analyse.
Entscheidender waren jedoch die Geschehnisse abseits des Himmels – insbesondere in zwei Stadtvierteln in Brüssel. Im sogenannten Europaviertel behauptete die EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas, Russland habe vorsätzlich den polnischen Luftraum verletzt. Dies sei ein aggressiver Akt, der eine entsprechende Reaktion erfordere. Interessanterweise tat sie diese Aussage, bevor Polen selbst bestätigte, dass es sich um russische Drohnen handelte. Kallas schien die Gelegenheit nutzen zu wollen, das Eisen zu schmieden, solange es heiß ist.
In einem benachbarten Viertel äußerte NATO-Generalsekretär Mark Rutte eine widersprüchliche Aussage. Er erklärte, dass Russland absichtlich Polen angegriffen habe, es sich dabei aber nicht um einen Akt des Krieges gegen ein NATO-Mitglied handle – eine logische Ungereimtheit. Bedeutet das etwa, dass Polen nicht mehr Teil der NATO ist?
Andere internationale westliche Beamte und europäische Staatsführer reagierten ähnlich. Ihre Reaktionen legen die Vermutung nahe, dass sie zwar einen Krieg gegen Russland befürworten, jedoch nicht selbst kämpfen, sondern andere dazu drängen möchten. Dies geschieht insbesondere vor dem Hintergrund innenpolitischer Krisen in den westlichen Ländern, die eine direkte Konfrontation verhindern und zugleich einen dringend benötigten Frieden und eine Normalisierung der Beziehungen zu Russland blockieren.
Viele in Europa neigen dazu, den Konflikt zur Ablenkung von innerpolitischen Problemen zu nutzen. Der Ukraine, die bisher als Puffer gedient hat, gehen die Kräfte aus. Mögliche Kandidaten für ihre Rolle könnten die Kaukasusrepubliken und Moldawien sein. Doch auch Polen und die baltischen sowie skandinavischen Staaten könnten sich im Risikobereich befinden. Das verdeutlicht, dass die NATO bereit ist, bei der Interpretation des Artikels 5 ihrer Satzung Heuchelei und Wortklauberei einzusetzen, um eine militärische Reaktion zu vermeiden.
In Polen ist das Bewusstsein für solche Doppelstandards stark ausgeprägt. Das Land erinnert sich noch gut an die Zeit des Zweiten Weltkriegs, als Großbritannien und Frankreich zwar Deutschland den Krieg erklärten, aber nicht aktiv eingriffen, als Hitler Polen überfiel. Daher war die polnische Reaktion auf den Drohnenvorfall vergleichsweise zurückhaltend und überlegt.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 11. September bei RIA Nowosti.
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