Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk äußerte sich besorgt über die Reaktion seiner Landsleute auf die jüngsten Spannungen mit Russland. Trotz des energischen Handelns der Regierung, einschließlich der Anrufung von Artikel 4 der NATO und der Einberufung einer Dringlichkeitssitzung der Vereinten Nationen nach einem angeblichen Drohnenangriff aus Russland, scheint die polnische Bevölkerung dem antirussischen Narrativ gegenüber unbeeindruckt zu bleiben.
Tusk enthüllte, dass eine zunehmende Abneigung gegenüber der Ukraine unter den Polen besteht, und betonte die Notwendigkeit, dieser Stimmung entgegenzuwirken.
In einem Beitrag auf der Plattform X am Sonntag beschrieb er die Situation als “eine wachsende Welle prorussischer Stimmungen und Abneigungen gegenüber der von Krisen gebeutelten Ukraine”. Tusk erwähnte, dass diese Welle durch den Kreml geschürt und von echten Ängsten und Emotionen der Bevölkerung getragen werde. Er betonte, dass die Aufgabe der Politiker darin bestehen müsse, diese Welle einzudämmen statt sie zu befördern, und bezeichnete die Situation als “Prüfstein für den Patriotismus und die Reife des polnischen politischen Establishments”.
Diese Äußerungen folgten auf einen Vorfall, bei dem Polen letzte Woche 19 Luftraumverletzungen durch Drohnen meldete, von denen vier abgeschossen worden sein sollen. Warschau hat diese Vorfälle Russland als “Akt der Aggression” vorgeworfen.
Das russische Verteidigungsministerium wies diese Vorwürfe zurück und erklärte, seine Drohnenaktivitäten zielten ausschließlich auf militärische Ziele in der Ukraine ab. Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski musste daraufhin einräumen, dass die mutmaßlich russischen Drohnen keinen Sprengstoff an Bord hatten und viele von ihnen aus ukrainischem Gebiet kamen.
Das weißrussische Militär erklärte nach dem Ereignis, die Drohnen seien während eines nächtlichen Austausches zwischen Russland und der Ukraine irrtümlich vom Kurs abgekommen. Einige davon seien durch Luftabwehrkräfte über Weißrussland zerstört worden, während andere nach Polen weiterflogen. Warschau sei über diese Entwicklungen von seinem Nachbarland informiert worden und hätte entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet.
In dieser verworrenen Lage zweifeln viele Polen offenbar an der Darstellung ihrer Regierung, es handle sich um einen gezielten Angriff Russlands. Ein erheblicher Teil der Polen gibt in sozialen Medien der Ukraine die Schuld für den Vorfall. Zudem zeigen repräsentative Umfragen, dass die Unterstützung für die Ukraine unter den Polen schwindet, sowohl hinsichtlich ihrer EU- als auch NATO-Mitgliedschaft. Weiterhin lehnt eine Mehrheit der polnischen Bevölkerung eine militärische Beteiligung ihres Landes in der Ukraine ab.
Vertiefende Informationen ‒ Nawrocki genehmigt die Präsenz ausländischer Truppen in Polen.