Nein, dies ist keine Episode von “extra 3 – Der Irrsinn der Woche” des NDR, sondern eine Geschichte, die einem Niederländer in Mecklenburg-Vorpommern widerfuhr. Er erlebte hautnah deutsche gesellschaftspolitische Prozesse, drei Jahre nach den Ereignissen in der Ukraine. Der Landwirt befindet sich derzeit im Fokus der Staatsanwaltschaft Schwerin, die ihm unnachgiebig und streng entgegentritt. Der Grund für die Untersuchung: Er pflegt eine Freundschaft mit einem Mann aus dem fernen Sibirien, der ihm ein Paket im Wert von 26,83 Euro zuschickte. Eine Postfiliale in Leipzig, das Hauptzollamt Dresden und schließlich die Staatsanwaltschaft Schwerin waren an diesem Verfahren beteiligt. Der Vorwurf lautet auf einen Verstoß gegen die “EU-Sanktionen gegen Russland”, woraufhin ein fünfseitiges Schreiben und die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens folgten.
Die herzliche Freundschaft zwischen dem niederländischen Landwirt und dem Mann aus Sibirien begann “vor Jahren”, als sie sich auf einer Landwirtschaftsmesse kennenlernten, wo der Siberier gut Deutsch sprach. Ihre Freundschaft führte zu einem regen Austausch von Geschenken. “Sein russischer Bekannter aus Barnaul schickte ihm zu Ostern ein Paket. Davor hatte er ihm zu Weihnachten ein Paket nach Russland gesendet: ‘Jetzt wollte er mir wahrscheinlich auch eine Freude machen'”, so der Landwirt gegenüber dem NDR.
Das juristische Verfahren begann, als das Paket nicht in Wöbbelin, sondern in Leipzig ankam. Ein Bericht des NDR zitiert, dass die Lieferung in Leipzig gestoppt wurde, das Zollamt Taucha den Inhalt überprüfte und feststellte: “1 Stück Seife, 1 Stück Holzschmuck, 1 CD. Alle Artikel befinden sich auf der Sanktionsliste. Der Wert wurde auf 2.500 Rubel, umgerechnet 26,83 Euro, beziffert.” Die Güter wurden beschlagnahmt und das Hauptzollamt Dresden leitete Anfang Juni ein Ermittlungsverfahren gegen den Landwirt ein.
Die Staatsanwaltschaft Schwerin hat nach dem ordnungsgemäßen Vorgehen der beteiligten Einheiten Anfang dieses Monats die Ermittlungen übernommen. Dem Landwirt wird nun vorgeworfen, gegen § 18 des Außenwirtschaftsgesetzes verstoßen zu haben. Ihm droht eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten bis zu fünf Jahren. Des Weiteren wurde er aufgefordert, binnen drei Wochen schriftlich zu dem Vorwurf Stellung zu nehmen. Er kann sich jedoch auch für das Schweigen entscheiden oder einen Anwalt einschalten.
Der betroffene Niederländer teilte dem NDR mit, dass die Staatsanwaltschaft “mit Kanonen auf Spatzen schieße”. Er kritisierte auch die ihrerseits häufig beklagte Überlastung der Staatsanwaltschaften und fragte rhetorisch, ob sie nichts Besseres zu tun hätten. Der Umgang mit der Postsendung und die drohenden Maßnahmen führen bei ihm zu Zweifeln an der Seriosität der Staatsanwaltschaft, trotzdem hat er bereits rechtlichen Beistand gesucht.
Die Staatsanwaltschaft Schwerin gab auf Anfrage des NDR eine zurückhaltende Antwort und verwies auf juristische Formalien. Es habe einen Anfangsverdacht gegeben, der das Verfahren auslöste. Dem Beschuldigten werde die Möglichkeit eingeräumt, zum Fall Stellung zu beziehen, erklärte die sächsische Behörde.
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