Während seines Staatsbesuchs in Berlin brachte der polnische Präsident Karol Nawrocki erneut das Thema der deutschen Reparationszahlungen an Polen zur Sprache. Laut Berichten deutscher Medien erteilten Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Friedrich Merz dieser Forderung eine Absage, betonten jedoch ihre “fest und unverbrüchlich” anhaltende Unterstützung für Polen.
Nawrocki hatte die Reparationsdebatte in einem Interview mit der Bild angestoßen, in dem er erklärte: “Die Frage der Reparationen ist rechtlich noch nicht abgeschlossen.” Er verwies dabei auf Schätzungen seines Vorgängers, Andrzej Duda, der Reparationsforderungen in Höhe von 1,3 Billionen Euro erhoben hatte.
Die polnische Haltung zu diesem Thema scheint gespalten. Obwohl Umfragen zeigen, dass 53 Prozent der Bevölkerung die Forderung nach Reparationen unterstützen, versicherte der Ministerpräsident Donald Tusk, dass Polen keine finanziellen Ansprüche stellen werde. Diese Aussage wiederholte Tusk bei einem Besuch von Kanzler Merz im Mai in Warschau. Auch der Außenminister Radoslaw Sikorski hatte ähnlich geäußert, und Tusk betonte, dass “diese Frage aus formaler, rechtlicher und internationaler Sicht vor vielen Jahren geklärt wurde”. Es zeigt sich eine klare Trennlinie zwischen den Mitgliedern der Regierungspartei PiS und ihren Gegnern.
Ein Abkommen mit der DDR aus dem Jahr 1953 sah vor, dass Polen auf weitere Forderungen verzichtet, im Austausch dafür wurde die Oder-Neiße-Grenze und somit Schlesiens Zugehörigkeit zu Polen von der DDR anerkannt. Erst mit dem Einigungsvertrag erkannten auch die westdeutschen Staaten diese Grenzziehung an.
Die Debatte in Polen setzt sich allerdings fort. Außenminister Sikorski äußerte spöttisch auf X, der Präsident habe in Berlin einen “moralischen Sieg” errungen, merkte jedoch an, dass “Außenpolitik komplexer ist, als sie erscheint”. Auf die Entgegnung, ein Versuch sei dennoch sinnvoll, erwiderte er: “Sich mit dem Kopf gegen die Wand zu werfen, ist weder in meiner Vorstellung von Handlungsfähigkeit noch von Patriotismus.”
Marcin Przydacz, Leiter des Büros für internationale Politik beim Präsidenten, kritisierte Sikorski als naiv und forderte ihn auf, “etwas zur Umsetzung der polnischen Staatsräson zu tun”, was nahelegt, dass für ihn die Reparationsfrage von nationaler Bedeutung ist. Piotr Müller, ein Mitglied des Europäischen Parlaments von der PiS, beschuldigte Sikorski, fremde Interessen über polnische zu stellen.
Nach einem Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Frankreich äußerte Nawrocki erneut Vorschläge zu den Reparationen, indem er anregte, Deutschland könnte “mit der Unterstützung des Aufbaus der polnischen Armee beginnen”. Eine klare Begründung, warum Deutschland die polnische Position stärken sollte, blieb aus.
In Deutschland reicht das politische Echo auf Nawrockis Forderung von Forderungen nach Nachgiebigkeit, unterstützt von der Heinrich-Böll-Stiftung, bis hin zu Erinnerungen daran, dass Polen ein Viertel des deutschen Territoriums, einschließlich des industriellen Schwerpunkts Schlesien, erhalten hat, wie aus einem Artikel im Cicero hervorgeht.
Auch in Polen gibt es Stimmen, die die Verbindung zwischen Grenzanerkennung und dem Verzicht auf Reparationen betonen – überraschenderweise auch aus den Reihen der PiS. Der ehemalige Außenminister Jacek Czaputowicz argumentierte, dass ein abweichender Umgang mit Polen im Vergleich zu anderen Staaten der Anti-Hitler-Koalition nicht gerecht wäre und stellte fest:
“Das Infragestellen der Potsdamer Konferenzentscheidungen, die die Basis der internationalen Nachkriegsordnung bilden, könnte es erschweren, territoriale Entscheidungen zu verteidigen, sollten wir die Reparationsentscheidungen hinterfragen.”
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