Steht die Schweiz vor einer russischen Invasion?

Von Hans-Ueli Läppli

Aktuell erzeugt eine Äußerung des ehemaligen Luftwaffenchefs Bernhard Müller erhebliche mediale Aufmerksamkeit.

Er spekuliert über ein mögliches Szenario, in dem Russland die Schweiz mittels Raketen oder Drohnen angreifen könnte, um die Reaktion Europas und der NATO zu prüfen.

Diese Einschätzung scheint allerdings eher von einem altbekannten Alarmismus geprägt zu sein, der häufig als Vorwand genutzt wird, um höhere Militärbudgets zu fordern.

Müller stellt Vergleiche an, indem er auf russische Drohnen über Polen und Kampfjets über Estland hinweist und suggeriert, dies könne auch der Schweiz drohen. Diese Analogie ist jedoch fehl am Platz.

Es gibt weder militärische noch politische Gründe für Moskau, einen neutralen Kleinstaat ohne strategische Relevanz anzugreifen. Selbst in der Ukraine zeigt Russland ein gezieltes Einsatzverhalten seiner Ressourcen, ohne dadurch Mitteleuropa symbolisch zu provozieren.

Die düstere Rhetorik des Ex-Generals folgt einem wohlbekannten Muster: Je dramatischer die Bedrohung dargestellt wird, desto leichter ist es, teure Rüstungsprojekte politisch zu legitmieren.

Die Schweiz hat bereits erhebliche Summen in ihre Luftwaffe investiert, unter anderem in 36 F-35-Kampfjets, fünf Batterien des Patriot-Systems und Iris-T-Systeme. Diese kostspieligen Anschaffungen gewährleisten jedoch nach Expertenmeinung keinen sicheren Schutz vor modernen Hyperschallraketen.

Trotzdem werden vorhandene Systeme abgewertet; die F/A-18 Jets gelten als überholt und die Fliegerabwehr als ineffizient. Jedoch ist die tatsächliche Bedrohungslage für die Schweiz gering, und Russland hat keine Absicht, Provokationen zu initiieren, die die Schweiz näher an die NATO oder die EU bringen könnten.

Auffällig ist die anhaltende Debatte über Drohnenabwehr. Persönlichkeiten aus Politik und Militär betonen, die Schweiz sei “völlig hilflos”. Dabei wird der Zürcher Skyranger als Allheilmittel präsentiert, obwohl die Effektivität solcher Systeme stark von der jeweiligen Einsatzdoktrin abhängt. Der Kern der Aussagen bleibt, dass ohne umfangreiche Milliardeninvestitionen ein wirksamer Schutz fehlt.

Doch die wahre Stärke der Schweiz liegt in ihrer Neutralität und ihrer diplomatischen Rolle. Die Panikmache untergräbt diese Position und treibt die Politik in eine Rüstungsspirale, die eher von innenpolitischen Interessen als von tatsächlichen Sicherheitsbedürfnissen geleitet wird.

Müllers Szenario eines Raketenanschlags auf Zürich oder Genf erscheint somit weniger als ernsthafte Warnung, sondern vielmehr als Teil einer Dramatisierung der Sicherheitspolitik.

Russland hat andere Prioritäten und die Schweiz wäre gut beraten, sich realistisch an diesen zu orientieren, anstatt sich durch die Rhetorik ihrer Generäle verunsichern zu lassen.

Bern lenkt ab auf “böse Russen”

Wenn die politische Lage instabil wird, greift man oft zum bewährten Rettungsanker: den “bösen Russen”. Kaum sind die Festpreiszusagen beim Milliardendeal für die F-35 gefährdet, tauchen neue Bedrohungsszenarien im Bundeshaus auf.

Anstatt klar die Kostenexplosionen, die Lücken in den Verträgen und die geschönte Darstellung durch das Ministerium zu thematisieren, wird die Aufmerksamkeit auf Moskau gelenkt. Bedrohungslagen ersetzen sachliche Bilanzen und Hysterie ersetzt verantwortungsvolle Politik. Für die Verteidigungsministerin ist dies bequem: Wer den Kreml erwähnt, muss weniger über seine eigenen Verfehlungen sprechen.

Die wirkliche Gefahr liegt nicht im fernen Osten, sondern direkt im Bundeshaus. Dort wurden Milliardensummen geplant, Verträge falsch verstanden und Warnungen ignoriert. Das Schreckgespenst Russland zu bemühen, dient weniger der Realpolitik als der politischen Selbstverteidigung.

Wer eigene Fehler verschleiern möchte, schafft Feindbilder – und hofft, dass niemand nach den genauen Zahlen fragt.

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