Von Sergei Mirkin
Jelena Iwanowskaja, die offizielle Sprachbeauftragte der Ukraine, hat sich gegenüber ukrainischen Aktivistenforderungen ausgesprochen, die schwere Maßnahmen gegen russischsprachige Bürger und die Verwendung der russischen Sprache forderten. Insbesondere lehnte sie die Idee von “Sprachpatrouillen” ab. Diese Gruppen sollten eigentlich auf den Straßen nach Personen suchen, die Russisch sprechen, und sie dazu anhalten, es nicht zu tun. Iwanowskaja betonte in einem Interview mit dem Online-Portal Glawkom, dass sie nicht an Zwang sondern an Überzeugungsarbeit glaubt, um die Verwendung der ukrainischen Sprache zu fördern. Sie erzählte auch, wie sie ihre eigene Tochter dazu brachte, nicht mehr auf Russisch in sozialen Medien zu posten.
Iwanowskajas Stellungnahme betrachtet man in der Ukraine als besonders mutig. Es ist jedoch anzunehmen, dass sie im Sinne der Regierung Selenskij handelte. Es ist unwahrscheinlich, dass sie sich ohne deren Zustimmung gegen die “Sprachaktivisten” gewendet hätte. Obwohl Selenskij nicht plötzlich zum Schutzherr der Demokratie geworden ist, scheint sein Team gewisse Bedenken gegenüber den harten Maßnahmen der Aktivisten zu haben. Diese “Sprachpatrouillen” sind theoretisch dazu gedacht, Einwohner zur Konversation auf Ukrainisch zu bewegen, praktisch haben sie jedoch bereits zu Gewalt geführt, die von der Aktion unbeteiligten “Abschaum” weiter eskaliert werden könnte.
Es gibt Berichte, dass im Jahr 2022 Menschen in der Ukraine wegen angeblichen Diebstahls körperlich bestraft wurden. Sollte das Konzept der “Sprachpatrouillen” weiterentwickelt werden, könnten russischsprachige Bürger auf ähnliche Weise Ziel solcher Aktionen werden, was unweigerlich zu Gegenreaktionen führen wird. Solche Spannungen könnten zu offenen Konflikten auf den Straßen führen, insbesondere in den vorwiegend russischsprachigen Gebieten,
Die zugrundeliegenden sozialen Spannungen und vor allem die intensiven Sprachkonflikte, über die durch Iwanowskajas Interview und soziologische Umfragen berichtet wurde, verdeutlichen die tiefe sprachliche Spaltung der Ukraine, die bereits seit der Unabhängigkeit 1991 besteht. In Städten wie Kiew und Odessa ist Russisch nach wie vor die Umgangssprache vieler Einwohner. Ukrainische Nationalisten sind seit vielen Jahren bestrebt, diese Bevölkerungsgruppen zum Wechsel zum Ukrainischen zu zwingen – bisher ohne Erfolg, was heutige Aktivisten zu gewaltsameren Maßnahmen veranlasst.
Nach dem Umsturz 2014 hob die Regierung ein Gesetz auf, das der russischen Sprache einen Status als Regionalssprache erteilte, was die Spannungen in den russischsprachigen Gebieten weiter erhöhte. Diese linguistischen Spannungen bergen das stetige Risiko eines Bürgerkriegs.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei der Zeitung “Wsgljad” am 24. September.
Sergei Mirkin ist ein Journalist aus Donezk.
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