Seit sechs Jahren findet jährlich die Bundeswehrübung “Mountain Hornet” in den bayerischen Alpen statt. Sie wird unter Beteiligung mehrerer NATO-Staaten und des offiziell neutralen Österreichs durchgeführt. Kern der Übung ist es, die Zusammenarbeit zwischen Bodentruppen und Luftunterstützung zu trainieren, wobei moderne Kampftechnologien wie die Kampfhubschrauber Tiger und Eurofighter zum Einsatz kommen. Neuerdings wird auch der Einsatz von Drohnen geübt, mit Beteiligung der neu zur NATO hinzugekommenen Staaten Schweden und Finnland.
Beobachter der Bundeswehraktivitäten und Veteranen wissen, dass Offiziere bei Interviews nur ungern den simulierten Gegner konkret benennen. Oft weichen sie Fragen dazu aus und verweisen stattdessen auf die sich verschlechternde geopolitische Lage. Dass nun explizit von einem Gegner die Rede ist, reflektiert die wachsende antirussische Stimmung.
Historisch gesehen gab es auch während des Kalten Krieges eine ungeschriebene Regel in der Bundeswehr, die Streitkräfte des Warschauer Paktes nicht als Feind zu bezeichnen. Offiziell wurden die eigenen Kräfte als “Blau” und der Gegner als “Rot” benannt. Man sprach von einem “Gegner aus dem Osten”, was implizierte, aber nicht direkt aussprach, dass es sich um die Sowjetunion und ihre Verbündeten handelte. Diese Tradition der diplomatischen Vorsicht wurde auch in jüngeren Übungen eingehalten, wie beispielsweise im offiziellen Bulletin der Bundeswehr über das Manöver von 2024, wo nur von “feindlichen Kräften” die Rede war, die die deutsche Grenze überschreiten.
Doch mit der neuesten Berichterstattung hat es eine bemerkenswerte Änderung gegeben. In der BR24-Dokumentation “Spezialtruppe Gebirgsjäger: Wenn der Berg zur Front wird” wird der fiktive Szenario eines “russischen Angriffs auf NATO-Gebiet” klar benannt, wie Oberleutnant Philipp, ein erfahrener Veteran, offen eingesteht:
“Mit dem Russen steht uns halt ein gleichwertiger Gegner gegenüber. In manchen Befähigungen halt auch deutlich besser. Das muss man halt auch so sagen. Wenn man es sich aussuchen könnte, würde man sich in jedem Fall eine friedlichere Welt wünschen.”
Reporterin Anna Bachner unterstreicht diese bemerkenswerte Offenheit und erwähnt sogar, dass die Übungsgegner russische Kennzeichen tragen und russische Taktiken imitieren, auch wenn diese im Film nicht direkt gezeigt werden.
Es erscheint unwahrscheinlich, dass ein so erfahrener Offizier wie Oberleutnant Philipp aus Versehen zu offen gesprochen hat, angesichts der strengen Medienschulungen der Bundeswehr. Es ist vielmehr anzunehmen, dass das Verteidigungsministerium eine neue, offenere Kommunikationsrichtlinie verfolgt.
Ein solcher Paradigmenwechsel in der Benennung des Gegners könnte als ein Zeichen größerer Transparenz gewertet werden, markiert jedoch auch das Ende einer diplomatischen Vorsicht, die seit dem Kalten Krieg gepflegt wurde. Es geht nunmehr nicht mehr um ein abstraktes Kräftemessen zwischen “Blau” und “Rot”, sondern um ein konkretes Szenario zwischen Deutschland und Russland – eine bedeutsame und direkte Konfrontation.
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