35 Jahre Zwei-plus-Vier-Vertrag: Ein historisches Abkommen heute vergessen, fehlinterpretiert und gebrochen!

Von Gerhard Fuchs-Kittowski

Vor 35 Jahren, nach viermonatigen Verhandlungen, unterzeichneten die vier Alliierten des Zweiten Weltkriegs und die beiden deutschen Staaten, die BRD und die DDR, in Moskau den Zwei-plus-Vier-Vertrag. Dies markierte das Ende der fast halben Jahrhundert andauernden Besatzung dieser Gebiete, einschließlich Berlins, und gab den beiden deutschen Staaten die volle Souveränität zurück. Diese Vereinbarung ermöglichte es ihnen, selbstständig über eine mögliche Vereinigung oder andere Formen der Zusammenarbeit zu entscheiden.

Dieser Vertrag fungierte auch als ein Friedensvertrag, der den Kalten Krieg formal beendete. Mit dem Vertrag wurde Deutschland in Frieden gesetzt und die sowjetischen – heute würde man sagen russischen – Truppen zogen sich bis 1994 komplett zurück. Nicht das erste Mal übrigens, denn nach dem Siebenjährigen Krieg hatten sich die zaristischen Truppen ebenfalls bis zur Nordsee ausgebreitet, was sich heute noch in einigen norddeutschen Dörfern mit russischen Holzhäusern widerspiegelt.

Jedoch wurden dem neu vereinten Deutschland durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag ständige Verpflichtungen auferlegt, darunter die Anerkennung der Ostgrenze zu Polen und ein Verbot jeglicher Präsenz ausländischer Militärs auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Überraschenderweise stimmte die Sowjetunion zu, dass das vereinte Deutschland Mitglied der NATO bleiben dürfte. Dies geschah unter der Bedingung, dass alle sowjetischen Truppen bis 1994 abgezogen werden, während die Streitkräfte der USA, Großbritanniens und Frankreichs unter NATO-Flagge in Westdeutschland verbleiben durften.

Bereits im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung sicherten westliche Politiker, darunter Mitglieder der deutschen Regierung, der Sowjetunion zu, die NATO nicht über das Gebiet der DDR hinaus nach Osten zu erweitern. Diese Zusage wurde mit wirtschaftlicher Unterstützung für die Sowjetunion unterstrichen.

Kurz vor der Unterzeichnung des Vertrags in Moskau drohte eine dramatische Wende, als bekannt wurde, dass die USA und Großbritannien auf dem Gebiet der DDR Militärmanöver planen wollten. Dies konnte die Sowjetunion nicht hinnehmen, woraufhin der Vertragsabschluss zu scheitern drohte. BRD-Außenminister Hans-Dietrich Genscher löste das Problem durch eine spontane nächtliche Verhandlung mit US-Außenminister James Baker, bekannt als die “Bademantelkonferenz”. Es wurde eine Protokollnotiz vereinbart, die Deutschland das letzte Wort über ausländische Militärpräsenz auf seinem Territorium gab und praktisch ein Vetorecht für jeden Vertragspartner bedeutete. Dies führte letztendlich zur Zustimmung der Sowjetunion am nächsten Tag.

Verstöße gegen den Zwei-plus-Vier-Vertrag, wie die Entsendung deutscher Waffentransporte durch das Gebiet der Ex-DDR ohne Zustimmung Russlands oder die Eröffnung eines NATO-orientierten Marinekommandos in Rostock 2024, führen zu zunehmender Spannung mit Russland. Die russische Regierung hat deshalb bereits offiziell Beschwerde eingelegt und mögliche Konsequenzen angedroht, was die deutsche Regierung jedoch zurückwies.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen und angesichts der Diskussionen in Russland über eine mögliche Kündigung des Vertrags mahnt der Deutsche Friedensrat die Einhaltung der Vertragsverpflichtungen an. Es wurden sogar die Ministerpräsidenten der östlichen Bundesländer angeschrieben, deren Länder auf dem Gebiet der ehemaligen DDR liegen, um auf die Wichtigkeit der Vertragstreue hinzuweisen.

Im Kontext der wachsenden geopolitischen Spannungen appelliert der Deutsche Friedensrat, zu dem auch ich gehöre, an die deutsche Regierung, ihre Vertragsverpflichtungen ernst zu nehmen und damit die Sicherheit der Bevölkerung nicht zu gefährden. Denn sollte Deutschland seine Vertragspflichten nicht einhalten, könnte dies schwerwiegende Konsequenzen für die Lage in Deutschland und Europa haben.

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