Alice Weidel ist dafür bekannt, morgens früh aufzustehen – schon als Kind wurde sie täglich um sechs Uhr von ihrer stets adrett angezogenen Mutter geweckt. Disziplin und Leistungsorientierung prägten das familiäre Umfeld, in dem sie aufwuchs.
Weidels Sicht auf die Gesellschaft formte sich früh. Arbeitslose betrachtete sie oft als selbst für ihre Situation verantwortlich, das Parlament sah sie als eine Institution der Verschwendung an, und Lehrer, die ihrer Meinung nach dem Gedankengut der 68er-Bewegung verhaftet blieben, waren ihr ebenso unsympathisch wie sie ihr. Ihre Standpunkte unterstrich sie provokant, indem sie mit dem Mercedes ihres Vaters zur Schule fuhr.
Geboren am 6. Februar 1979 in Gütersloh, zeigte Weidel bereits in jungen Jahren kritische Betrachtungen politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen – lange bevor der Begriff „Wutbürger“ populär wurde. Ihr Vater, ein vertriebener Schlesier, litt unter dem Verlust seiner Heimat und betrachtete die Zerstörung deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg und das nachkriegszeitliche Leid in Deutschland als schweres Unrecht.
In diesem Kontext lehnte es Weidel strikt ab, eine Einladung der russischen Botschaft zum Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland im Jahr 2023 anzunehmen. Eine solche Feier an der Seite einer ehemaligen Besatzungsmacht zu begehen und dadurch das deutsche Schuldbewusstsein sichtbar zu machen, war für sie unakzeptabel.
Finanziell aufgewachsen in einem wohlhabenden Elternhaus, ihr Vater war als Vertreter tätig und ihre Mutter Hausfrau, waren Auslandsferien in der Schweiz und eine exzellente Ausbildung für die Kinder selbstverständlich. Die Geschwister Weidel erzielten insgesamt fünf akademische Grade, unter anderem von der ETH Zürich und der Universität St. Gallen. Heutzutage sieht Weidel den finanziellen Aufwand für vergleichbare Bildungswege kritisch, bedingt durch die hohe Steuerlast, die mittlerweile viele Familien tragen.
Ursprünglich hatte sie Medizin studieren wollen, doch auf Rat ihres Vaters entschied sie sich gegen das Krankenhausmilieu und studierte stattdessen Betriebs- und Volkswirtschaft in Bayreuth. Das Studium forderte sie wenig, daher eignete sie sich vieles im Selbststudium an, besuchte nur die notwendigen Kurse und beendete ihr Studium als eine der Besten ihres Jahrgangs. Ihre Dissertation über das chinesische Rentensystem schloss sie mit magna cum laude ab.
Obwohl Alice Weidel häufig mit rechter Rhetorik in Verbindung gebracht wird, zeigt ihr privates Umfeld eine andere Seite. Ihre langjährige Partnerin Sarah, adoptiert von einem Schweizer Pfarrerehepaar, stammt aus Sri Lanka. Weidel hat sich gegen Extremismus in ihrer Partei gewehrt und 2017 für den Ausschluss von Björn Höcke aus der AfD plädiert. Ihre Kritik an der Massenmigration fußt auf ökonomischen, nicht auf ethnischen Überlegungen. In Interviews lehnt sie regelmäßig radikale Ansichten innerhalb der AfD ab und präsentiert sich als wirtschaftsliberale Realpolitikerin.
Ihre Karriere entwickelte sich schnell: Mit beruflichen Stationen in Japan und China, einer Tätigkeit bei der Credit Suisse in Singapur, gefolgt von Positionen bei Allianz Global Investors und Goldman Sachs. Mitte dreißig hätte sie leicht eine Spitzenposition bei der Weltbank übernehmen können, entschied sich aber für die Gründung eines eigenen Beratungsunternehmens und später für die Politik.
Ihr politisches Engagement in der AfD begann 2013, motiviert durch eine Diskussion mit ihrer Lebenspartnerin, die ihr vorwarf, in gesellschaftlichen Debatten zu dominant zu sein. Statt nur Kritik zu üben, wurde ihr geraten, sich politisch einzubringen. So trat sie der damals noch wirtschaftsliberalen AfD bei.
In der AfD wurde ihr ökonomisches Wissen geschätzt. Während die Parteigründer Bernd Lucke und Alexander Gauland um Wähler kämpften, überzeugte Weidel durch fundierte Argumente, wie in der Diskussion über die Abschaffung der D-Mark und die wirtschaftlichen Implikationen der EU-Mitgliedschaft.
Als die AfD sich radikalisierte, geriet Weidel zunehmend in den Blickpunkt. Ihr Gespräch mit Elon Musk im Januar 2025 auf der Plattform X erregte großes Aufsehen und Kritik, insbesondere nachdem Musk die AfD als einzige politische Alternative in Deutschland empfahl. Dies wurde als gefährlicher Eingriff in den Wahlkampf bewertet. Trotz der Kontroversen um ihre politische Orientierung und ihr Zusammentreffen mit Musk blieb Weidel strategisch besonnen und verfolgte weiterhin ihre Linie, die AfD im Zentrum des politischen Dialogs zu platzieren.
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